Berlin (epd). Union und SPD haben sich im Streit um die Verschärfung des Arbeitsschutzes in der Fleischindustrie auf einen Kompromiss verständigt. Wie die Fraktionen am Freitag in Berlin mitteilten, sollen Werkverträge und Leiharbeit bei der Schlachtung und Zerlegung in den Schlachthöfen komplett verboten werden. Bei der Fleischverarbeitung soll es befristete und tariflich geregelte Ausnahmen für Leiharbeit geben. Das mehrfach wegen des Streits verschobene Gesetz soll Mitte Dezember vom Bundestag verabschiedet werden und Anfang 2021 in Kraft treten.
Das Gesetz soll Strukturen unterbinden, die es den großen Unternehmen der Fleischindustrie ermöglichen, die Verantwortung für ausbeuterische Arbeitsbedingungen und unwürdige Unterbringung ausländischer Arbeiter auf Subunternehmen abzuschieben. Das Fleischerhandwerk ist ausgenommen. Es gehe um die Fleischindustrie, betonte der Vizefraktionsvorsitzende der Union, Herrmann Gröhe (CDU). Die Union hatte sich lange dagegen gesträubt, Leiharbeit in der Branche komplett zu verbieten, wie es der Gesetzentwurf von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vorsah.
Heil sagte, endlich sei Schluss "mit den Sub-, Sub-, Subunternehmen und der organisierten Verantwortungslosigkeit" in der Fleischindustrie. Neben dem Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit sieht das Gesetz mehr Arbeitsschutzkontrollen vor, schreibt die digitale, manipulationssichere Arbeitszeiterfassung vor und enthält Mindeststandards für die Unterbringung ausländischer Arbeitskräfte.
Nach Angaben von Gröhe und der stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden Katja Mast dürfen Betriebe in der Fleischverarbeitung noch pro Jahr vier Monate lang Zeitarbeiter in begrenztem Umfang beschäftigen, um Auftragsspitzen etwa während der Grillsaison abzudecken. Die Vereinbarungen darüber müssen per Tarifvertrag getroffen werden. Für die Leiharbeiter gelten die gleiche Bezahlung und die gleichen Arbeitsschutzvorschriften wie für die Stammbelegschaft. Nach Ablauf von drei Jahren ist Leiharbeit dann auch in der industriellen Fleischverarbeitung verboten.
Gröhe erklärte, mit dem Arbeitschutzkontrollgesetz werde Ordnung geschaffen auf dem Arbeitsmarkt in der Fleischindustrie. Der Gesetzgeber und die staatlichen Kontrollbehörden müssten handeln, nachdem Selbstverpflichtungen der Branche in der Vergangenheit nicht zu Verbesserungen geführt hätten. "Am 1. Januar hört es mit den Werkverträgen auf", versicherte Gröhe und bestätigte damit auch, dass das Gesetz wie geplant zu Beginn des Jahres in Kraft treten soll. Zudem forderte er auch mehr Kontrollen: "Missstände verhindert man vor allem durch mehr Kontrollen."
Mast sagte, es werde ein Geschäftsmodell beendet, das es viel zu lange gegeben habe und "das durch Corona noch einmal seine übelsten Seiten offenbart hat". Der Fleischlobby sei es nicht gelungen, das Gesetz zu verzögern oder zu verhindern. "Wir beenden die Ausbeutung", sagte Mast. Im Wahlkreis der Sozialdemokratin in Pforzheim war der erste große Corona-Ausbruch unter Fleischarbeitern bekanntgeworden.
Massenhafte Corona-Ausbrüche unter osteuropäischen Arbeitern in den großen Fleischfabriken hatten im Frühsommer die ausbeuterischen Arbeitsbedingungen und Unterbringungspraktiken ins öffentliche Licht geholt. Arbeitsminister Heil hatte daraufhin ein Arbeitsschutzkontrollgesetz angekündigt und erklärt, er wolle in der Fleischindustrie "aufräumen".
epd bm/co kfr