Aachen (epd). Das Gutachten zu sexuellem Missbrauch durch Kleriker im Bistum Aachen bietet nach Ansicht von Bischof Helmut Dieser die Chance, dass die Opfer sexueller Übergriffe Aufklärung erhalten und die begangenen Taten öffentlich gemacht werden. Das am Donnerstag veröffentlichte Gutachten schaffe Klarheit und benenne "Fehler der Vergangenheit", sagte Dieser am Freitag in einer ersten Reaktion auf die von einer Anwaltskanzlei vorgenommene Untersuchung. "Die Sicht der Gutachter liegt allen offen, jeder kann sich seine Meinung bilden."
Damit habe man nun die Möglichkeit, "besser zu verstehen, wo die Verantwortlichkeiten lagen, damit Täter hätten gestoppt werden können und warum gerade das nicht geschehen ist". Zugleich unterstrich Dieser, dass es mit dem Gutachten nicht darum gehe, Menschen an den Pranger zu stellen. "Vielmehr geht es darum, zukunftsorientiert aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen."
Laut der Studie Münchener Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl, die vom Bistum selbst in Auftrag gegeben wurde, gibt es Hinweise auf mindestens 175 Fälle sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen durch Kleriker seit 1965. Gegenüber den Tätern habe die Kirchenleitung eine "unverdiente Milde" walten lassen, kritisierten die Gutachter. Das Leid der Opfer hingegen sei nicht wahrgenommen worden. Die Verantwortung für die mangelnde Aufklärung und Verfolgung der Taten sehen die Anwälte bei früheren Bischöfen und Generalvikaren - darunter Heinrich Mussinghoff, der das Bistum bis 2015 leitete.
Bischof Dieser bekräftigte die Bereitschaft zum Dialog mit den Betroffenen. "Ich kann und werde ein offenes Ohr für alle Betroffenen haben, die mir sagen wollen, was ihnen auf dem Herzen liegt", sagte er. Zudem habe das Bistum unter der Telefonnummer 0241/452-225 eine Hotline eingerichtet, an die sich Betroffene oder Menschen mit drängenden Fragen wenden könnten.