Tübingen (epd). Absprachen zwischen Richtern, Staatsanwälten und Verteidigern entsprechen einer Studie zufolge häufig nicht den gesetzlichen Regeln. Von 1.500 befragten Akteuren in Prozessen hätten 58 Prozent angegeben, dass bei Absprachen das genaue Strafmaß für den Angeklagten schon feststehe, teilten die Forscher der Universitäten Tübingen, Düsseldorf und Frankfurt am Main am Freitag mit. Das seit 2009 geltende Gesetz sehen dagegen vor, dass lediglich ein "Korridor" festgelegt werden darf.
Strafmilderung durch Geständnis ist den Angaben zufolge seit mehr als 30 Jahren Teil des gerichtlichen Alltags. Eine Übereinkunft aller Beteiligten darüber muss laut Gesetz dokumentiert werden, Geständnisse sind zwingend zu überprüfen. Die Befragten gaben übereinstimmend an, dass ein Geständnis und ein somit abgekürztes Verfahren mit einem Strafrabatt von rund 20 Prozent für die Angeklagten honoriert werde.
Die Befragten räumten ferner ein, dass auch "informelle Absprachen" außerhalb der Strafprozessordnung weiterhin praktiziert würden. Weniger als die Hälfte aller Richter, Staatsanwälte und Strafverteidiger gab an, auf solche "Deals" vollständig zu verzichten. Praktiziert werde das vor allem bei Betrugsdelikten (29 Prozent), Wirtschaftsstrafsachen (27 Prozent), Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz (22 Prozent) und Steuerstrafsachen (20 Prozent).
Das Forschungsprojekt ging über zwei Jahre, federführend war dabei Professor Jörg Kinzig vom Tübinger Institut für Kriminologie. Für Kinzig sind die Ergebnisse ein Beleg dafür, dass die derzeitige Regelung nur bedingt praxistauglich und daher reformbedürftig sei.