Steinmeier: Rücksichtslosigkeit ist kein Freiheitsrecht

Steinmeier: Rücksichtslosigkeit ist kein Freiheitsrecht

Berlin (epd). Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier prangert ignorantes Verhalten einiger Corona-Leugner in der Pandemie an. "Rücksichtslosigkeit ist kein Freiheitsrecht", sagte er am Dienstag vor einem Gespräch mit von Covid-19 genesenen Gästen in Schloss Bellevue mit Blick auf die Demonstrationen am Wochenende in Leipzig. "Wo einige Zehntausend Menschen die Auflagen missachten, die Regeln verspotten und weder Abstand eingehalten noch Masken getragen haben, da werden aus meiner Sicht ganz eindeutig Grenzen überschritten." Das Demonstrationsrecht sei ein hohes Gut. "Aber die Demonstrationsfreiheit ist eben nicht die Freiheit zur Gefährdung von anderen."

Das deutsche Staatsoberhaupt sprach seinen Gästen sein Mitgefühl aus. Er wolle mit dieser Veranstaltung den Blick auf sie lenken, auf diejenigen, die diese Erkrankung durchgemacht hätten. Bislang habe man sich diesen Betroffenen zu selten zugewandt. Das Virus sei gefährlich, es könne Langzeitfolgen haben und Leben zerstören. Er rief zu Geduld und Solidarität in der Pandemie auf.

Unter den Gästen war der "Tagesspiegel"-Journalist Joachim Huber, einer der ersten in Berlin an Covid-19 Erkrankten. Der 62-Jährige hatte sich nach eigenen Angaben im März mit Atemnot ins Klinikum selbst eingeliefert. Seine Lunge habe nur noch vier Prozent Funktion gezeigt. Er habe fünf Wochen im Koma gelegen, ein Nierenversagen sei hinzugekommen und dann ein Herzinfarkt, sagte er. Bis heute sei er in Reha, ihm fehle noch die Kondition und wegen eines Fußschadens könne er schlecht laufen. "Eines hat Corona nicht erreicht, obwohl es ein Arschloch ist: Ich bin nicht blöder geworden", sagte Huber. Inzwischen schreibe er wieder für seine Zeitung. Sehr froh sei er darüber, dass er niemanden angesteckt habe.

Eine Mitarbeiterin des Technischen Hilfswerks aus Heinsberg, Clarissa Engels, war eine der ersten Infizierten in Deutschland. Sie sei damals sechs Wochen erkrankt, habe neben Atembeschwerden auch Geruchs- und Geschmacksverlust erlitten, sagte sie. Im Mai habe sie einen zweiwöchigen Rückfall erlitten. Bis heute leide sie unter Erschöpfung, rieche bei Waschmittel oder Parfüm nur die schlechten Geruchsanteile, und ihr Kurzzeitgedächtnis sei beeinträchtigt.