Merkel warnt vor akuter Notlage und appelliert an Verantwortung aller

Merkel warnt vor akuter Notlage und appelliert an Verantwortung aller
Erneut führen steigende Corona-Zahlen zu massiven Einschränkungen des öffentlichen und privaten Lebens. Kanzlerin Merkel kommt kurzfristig in die Bundespressekonferenz und wirbt um Verständnis. Sie vergleicht die Pandemie mit einer Naturkatastrophe.

Berlin (epd). Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verteidigt angesichts rasant steigender Zahlen an Corona-Infektionen die drastischen Kontaktbeschränkungen und appelliert an die Verantwortung aller. Es handele sich derzeit bei der Virusverbreitung um ein "exponentielles Wachstum, das uns mit zunehmender Geschwindigkeit auf eine akute Notlage in unseren Krankenhäusern zulaufen lässt", sagte sie am Montag in der Bundespressekonferenz in Berlin.

Es stünden schwierige Monate bevor, weil das Virus anders als im Frühjahr bei niedrigeren Temperaturen noch aggressiver reagiere, betonte die Kanzlerin. Daher sei nun nicht mehr der Zeitpunkt, lediglich auf Abstands- und Hygieneregeln hinzuweisen: "Wir wären dann halbherzig und das Virus bestraft Halbherzigkeit." Merkel räumte ein, dass die Kontaktbeschränkungen "Verzicht auf vieles" bedeuteten, "was das Leben schön macht". Sie könnten aber "Wellenbrecher" in dieser zweiten Welle sein.

Merkel warnte zugleich vor einer "Vereinsamung" von besonders gefährdeten Menschen. Es entspreche nicht ihrer Vorstellung, Risikogruppen aus der Gesellschaft zu separieren und dass, während die einen schön Weihnachten feierten und ins Restaurant gingen, die Menschen in Pflegeheimen keine Besucher empfangen dürften. Die Kanzlerin verwies darauf, dass in Deutschland fast 24 Millionen Menschen lebten, die älter als 60 Jahre seien. Dann gebe es bei den unter 60-Jährigen noch etwa 2,5 Millionen Schwerstbehinderte. Ohne Berücksichtigung von Vorerkrankungen seien damit schon alleine 26 Millionen Menschen in einer Risikogruppe. Fast jeder kenne also jemanden, den er eigentlich nicht infizieren wolle.

Ob Familienbesuche an Weihnachten wieder möglich würden, hänge indes davon ab, wie die Kontaktbeschränkungen im November wirkten. Sie glaube nicht, dass es rauschende Silvesterpartys geben werde, aber möglicherweise könne die Kernfamilie bei gewissen Vorsichtsmaßnahmen besucht werden. "Es wird ein Weihnachten unter Corona-Bedingungen sein, aber es soll kein Weihnachten in Einsamkeit sein", sagte sie.

Der Besuch der Kanzlerin in der Bundespressekonferenz war erst wenige Stunden zuvor angekündigt worden. Anlass waren die erneuten massiven Einschränkungen im öffentlichen und privaten Leben, die am Montag begannen und den ganzen Monat November über andauern sollen. Auch für die Pressekonferenz galten strenge Abstandsregeln: So wurden in dem Saal mit der blauen Wand lediglich etwa ein Fünftel der 210 Sitzplätze belegt. Die Atemschutzmasken sollen seit der vergangenen Woche von Journalistinnen und Journalisten auch während der Pressekonferenz getragen werden.

Merkel zeigte sich optimistisch, dass die sehr große Mehrheit in der Gesellschaft die Corona-Maßnahmen verstehe. Schließlich sei die Pandemie kein "politischer Beschluss, den wir gefasst haben, sondern es ist so etwas wie ein Naturereignis, eine Naturkatastrophe, mit der wir umgehen müssen". Politiker hätten wiederum die Verantwortung, für die beschlossenen Maßnahmen zu werben "und das tue ich".

Die derzeitige Erlaubnis zu Gottesdiensten begründete sie indes mit dem hochstehenden Recht auf Religionsfreiheit. Wenn Schulen und Kitas nicht geschlossen würden, sei es "zwingend geboten", dass auch Gottesdienste möglich seien.

Merkel stellte sich damit in diesem Jahr bereits zum dritten Mal auf diese Weise den Fragen der Hauptstadtjournalisten - deutlich häufiger als sonst. Bis auf wenige Ausnahmen kam die Kanzlerin bislang nur einmal im Jahr zum Haus der Bundespressekonferenz.

Seit diesem Montag sind bundesweit Restaurants geschlossen, und es finden keine Unterhaltungsveranstaltungen mehr statt. Die Bürger sollen ihre Kontakte auf ein Minimum beschränken, in der Regel auf Treffen mit maximal einem weiteren Haushalt. Anders als im Frühjahr sollen Geschäfte, Schulen und Kitas aber geöffnet bleiben.

epd fu/mey/co mih