Hamburg, Münster (epd). Der Münsteraner Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide warnt vor einer zunehmenden Diskriminierung liberaler Muslime. "Auch in Deutschland wird es immer gefährlicher, den Islamismus zu kritisieren", schreibt Khorchide in einem Gastbeitrag für die "Zeit". "Ich wünsche mir einen politischen Konsens, dass selbstkritische Muslime keine Islamhasser sind." Khorchide, der sich selbst als Islamreformer bezeichnet, musste nach eigenen Angaben zeitweise unter Personenschutz gestellt werden.
Der Professor für Islamische Religionspädagogik betont: "Wir erheben unsere Stimme gegen die Pervertierung unserer Religion. Wir sehen den Islam als selbstverständlichen Teil Europas. Dies setzt aber voraus, ihn mit Pluralismus und Freiheit zu vereinbaren, und dafür müssen wir einige alte Interpretationen des Islams hinterfragen." Das könne nur glücken, wenn die Reformer nicht ungestraft als Verräter gebrandmarkt würden.
Er befürchte, dass in Deutschland eine falsche Trennlinie zwischen Nichtmuslimen und Muslimen gezogen werde, zwischen der Mehrheit und der Minderheit. So als stünden sie sich in Deutschland als feindliche Blöcke gegenüber, schreibt Khorchide. Das Beharren auf einer angeblichen Spaltung der Gesellschaft nach Religionszugehörigkeit sei ein identitätspolitischer Irrtum, der den Identitären gefallen dürfte - seien sie nun Rechtspopulisten oder Vertreter des politischen Islams." Letztere träten auch deshalb so vehement als Anwälte einer benachteiligten Minderheit auf, um sich selbst gegen Kritik zu immunisieren. Zugleich betrieben sie Hetze gegen Muslime, die den Islam reformieren wollten.
Er warne davor, Muslime und Nichtmuslime als Feinde anzusehen, so wie es der politische Islam tue, erklärt Khorchide. Der Islam als Gegenentwurf zum Westen sei ein ebenso problematisches Narrativ. Denn jungen Muslimen werde ein Glaube gepredigt, der es ihnen kaum erlaube, sich mit Deutschland zu identifizieren. Meist bleibe ihnen nichts übrig, als auf Distanz zur Religion oder zur Gesellschaft zu gehen.