Frankfurt a.M. (epd). Die evangelische Pfarrerin Stefanie Schardien hat das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Sterbehilfe als zu weitreichend kritisiert. "Die Richter sagen: Man muss nicht mehr unheilbar krank sein, um einen Anspruch auf Suizidassistenz zu haben, und man hat in jedem Alter, in der jeder Lebensphase das Recht dazu", sagte die "Wort zum Sonntag"-Sprecherin dem evangelischen Monatsmagazin "chrismon" (November-Ausgabe). Wenn der Bundestag das Urteil vom Februar nun in ein Gesetz gieße, müsse er "dringend Schranken einziehen".
Sie mache sich Sorgen um Menschen, "die unsicher sind, verletzlicher und nicht so gut informiert", erklärte die Pfarrerin aus Fürth. Schardien gehört der bayerischen Landessynode und dem Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentags an.
Natürlich gebe es tragische Einzelfälle, wo trotz aller Möglichkeiten der Palliativmedizin der Wunsch zu sterben bestehen bleibe und dies von außen auch nachvollziehbar sei, sagte Schardien. "Und trotzdem finde ich, dass unser Land deswegen keinen Rechtsanspruch auf einen assistierten Suizid gewähren müsste, zumal Suizidbeihilfe durch Verwandte und Nahestehende schon bisher bei uns straffrei blieb."
In einer Umfrage des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) 2015 hätten 60 Prozent der Menschen die Befürchtung geäußert, dass bei einer Legalisierung der Sterbehilfe der Druck auf Menschen wachse, Angehörigen nicht zur Last zu fallen. "Das wären wohl noch sehr viel mehr tragische Fälle", betonte die 44-jährige Theologin. "Für diese Menschen brauchen wir auch eine Stimme."
Der Schauspieler Ulrich Matthes sprach sich ebenfalls dafür aus, dass der Bundestag das Karlsruher Urteil modifizieren müsse. Möglicherweise sollten verpflichtende Gespräch eingeführt oder das soziale Umfeld befragt werden. Spontan habe er die Gerichtsentscheidung begrüßt, sagte der 61-Jährige. Dann habe er aber bald auch an junge Menschen gedacht, "die so einsam sind, dass sie an Suizid denken". Er wünsche sich, dass "man von einer Gesellschaft aufgefangen wird, wenn man durch ein furchtbares, existenzielles Tal geht".
Zugleich halte er es aber für richtig, "dass der unerträglich leidende Mensch, der das Gefühl hat, er hat sein Leben gelebt, es soll jetzt gut sein, nicht von der Brücke springen muss, sondern sein Leben mit einem von ihm als würdevoll empfundenen Weg beenden kann", erklärte Matthes, der seit 2004 zum Ensemble des Deutschen Theaters in Berlin gehört. "Für mich ist das ein glückhafter Endpunkt der Aufklärung." Das Recht eines kranken Menschen, über seinen Körper zu bestimmen, müsse an erster Stelle stehen.