Klima-Studie fordert radikalen Umbau von Wirtschaft und Verkehr

Klima-Studie fordert radikalen Umbau von Wirtschaft und Verkehr
Oberleitungen auf der Autobahn, mehr Windräder, ein Drittel weniger Autos: Eine Klima-Studie des Wuppertal Instituts schlägt einen radikalen Umbau von Verkehr und Wirtschaft vor, um das 1,5 Grad-Ziel zu erreichen.

Berlin (epd). Einer neuen Studie des Wuppertal Instituts für Klima und Umwelt zufolge wird Deutschland aller Voraussicht nach die Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze weit verfehlen. Ein Beitrag Deutschlands zur Einhaltung des im Pariser Klimaabkommen vereinbarten maximalen Temperaturanstiegs bis 2035 sei zwar technisch noch möglich, erfordere aber gravierende Veränderungen in den Bereichen Verkehr, Industrie und Energiewirtschaft, heißt es in der am Dienstag in Berlin vorgestellten Untersuchung. Auftraggeber ist die Klimaschutzbewegung "Fridays for Future". Finanziert wurde die Studie von der GLS-Bank. Der Bereich Landwirtschaft wurde nicht untersucht.

So müsse der Autoverkehr bis 2035 halbiert werden und der Pkw-Bestand in Städten auf ein Drittel des heutigen Standes gesenkt werden. Ein Großteil der Fahrzeugflotte müsse in den nächsten 15 Jahren aus Elektrofahrzeugen bestehen. 30 Prozent des Güterverkehrs müssten bis 2035 auf die Schiene verlagert und die verbliebenen Lkw durch Batterie- und Oberleitungshybridfahrzeuge ersetzt werden. Dafür seien 8.000 Kilometer Oberleitungen auf Autobahnen notwendig. Das entspreche einem Zubau von 550 Kilometern pro Jahr.

Der innerdeutsche Flugverkehr müsse komplett eingestellt, der innereuropäische um 25 Prozent reduziert werden, hieß es weiter. Zudem dürften nur noch synthetische Kraftstoffe wie Wasserstoff oder Ethanol verwendet werden.

Wind- und Solarenergie müssten jährlich um mindesten 25 bis 30 Gigawatt ausgebaut werden. Die Bundesregierung strebe derzeit nur 9,6 Gigawatt an. Wichtig sei dabei, den Ausbau der Windenergie auf dem Land wieder in Schwung zu bringen, so die Autoren um den Projektleiter Georg Kobiela. Hier erscheine ein Ausbau von mindestens sieben bis zehn Gigawatt pro Jahr sinnvoll. Für dieses Jahr werde nur ein Zubau von etwa 1,5 Gigawatt erwartet. Um die Akzeptanz von Windrädern zu erhöhen, schlagen sie eine Beteiligung von Anwohnern vor.

Für die Sicherstellung der Versorgungssicherheit in der Stromversorgung und für klimaverträgliche Industrieprozesse werde Wasserstoff benötigt, heißt es weiter. Dieser sollte zum Teil in Deutschland mit Hilfe erneuerbarer Energien produziert werden. Dort halten die Autoren bis 2035 eine Kapazität von 70 bis 90 Gigawatt für sinnvoll. Im Gegensatz dazu sehe die Wasserstoffstrategie der Regierung frühestens 2035 eine Leistung von zehn Gigawatt vor.

Zugleich müsse der CO2-Preis auf 180 Euro pro Tonne steigen und klimaneutrale Produktionsprozesse in der Industrie eingeführt werden, so die Autoren. Die Bundesregierung plant aktuell einen Höchstpreis von 65 Euro.

Die Studie skizziere Optionen, sagte der wissenschaftliche Direktor des Wuppertal Instituts, Manfred Fischedick. Um das 1,5 Grad-Ziel an Temperaturanstieg zu halten, müsse schnell etwas passieren. Wichtig sei, die Gesellschaft mitzunehmen, sagte er. Das werde kein Selbstläufer: "Da müssen sehr, sehr dicke Bretter gebohrt werden."

Die Bundesregierung müsse die nächste Legislaturperiode für diesen Paradigmenwechsel nutzen. Die geschätzten Kosten lägen dabei bei 100 Milliarden Euro jährlich. Das sei aber wenig im Vergleich zu den Folgekosten, die durch die Klimakrise wie Dürre, Ernteausfälle, Unwetter und Zerstörungen entstehen.