Potsdam (epd). Unternehmen in Deutschland und Europa sollen nach dem Willen mehrerer Regierungsmitglieder künftig nicht mehr von Kinderarbeit, Ausbeutung oder Umweltverschmutzung profitieren. Bei einer Online-Konferenz zur deutschen EU-Ratspräsidentschaft machten sich Arbeitsminister Hubertus Heil, Justizministerin Christine Lambrecht (beide SPD) sowie Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) am Dienstag für die rasche Verabschiedung eines deutschen Lieferkettengesetzes stark. Auch in der EU-Kommission gibt es Bestrebungen, Unternehmen beim Schutz von Menschenrechten und Natur stärker in die Verantwortung zu nehmen.
Heil sagte in Potsdam bei der Veranstaltung mit dem Titel "Globale Lieferketten - Globale Verantwortung", Europa brauche eine verbindliche Regelung. "Die Menschen müssen sich sicher sein, dass die Produkte in ihren Einkaufswagen nicht mit Ausbeutung oder Kinderarbeit hergestellt sind." Deutschland könne mit gutem Beispiel vorangehen, "indem wir ein eigenes und wirkungsvolles Gesetz" einführen. Es hake aber noch in der Bundesregierung, sagte Heil und bekräftigte sein Ziel, die Eckpunkte zeitnah im Kabinett einzubringen. Dann könne die Gesetzgebung in diesem Jahr beginnen und das Gesetz im kommenden Jahr in Kraft sein.
"Wir werden ein Gesetz vorschlagen, das anwendbar ist", versicherte er zugleich. Den Firmen werde nichts abverlangt, was sie nicht leisten können. Wenn große Unternehmen Risiken für Menschenrechtsverletzungen in ihren Lieferketten untersuchten, geeignete Maßnahmen dagegen ergriffen und darüber berichteten, sollten sie nicht für Menschenrechtsverletzungen bei Zulieferern haften, erläuterte Heil. Wer dem jedoch willkürlich oder fahrlässig ausweiche, müsse in Haftung genommen werden können.
Schon seit Anfang dieses Jahres wollen Müller und Heil Eckpunkte vorlegen - ein Vorhaben, dass sich zunächst wegen noch nicht abgeschlossener Umfragen bei Unternehmen verzögerte und aktuell wegen Einwänden des Wirtschaftsministeriums nicht vorankommt. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) stört insbesondere, dass Betroffene rechtlich gegen deutsche Firmen vorgehen könnten. Das Gesetz dürfe kein "Placebo" sein, betonte Heil und wies darauf hin, dass Firmen, die Sorgfaltspflichten beachten, derzeit Wettbewerbsnachteile hätten gegenüber jenen Unternehmen, "die darauf pfeifen".
Müller sagte, dass mehr Sorgfalt in der Lieferkette für Verbraucher durchaus bezahlbar sei. Das zeigten zum Beispiel Textilien, die mit dem staatlichen Gütesiegel "Grüner Knopf" zertifiziert seien. "Made in Germany" müsse auch für moralische und ethische Ansprüche stehen.
Ministerin Lambrecht unterstützte die Bemühungen ihrer Kollegen. Ein solches Gesetz müsse sich stimmig in das deutsche Rechtsystem einfügen - sie habe aber keine Zweifel, dass dies möglich sei. Lambrecht äußerte sich überzeugt, dass es auch den meisten Konsumentinnen und Konsumenten widerstrebe, "dass Menschenrechte für billige T-Shirts oder Schokolade auf der Strecke bleiben".
EU-Justizkommissar Didier Reynders kündigte europäische Konsultationen zu dem Thema an. Diskutiert werden solle darüber, dass Unternehmensvorstände sich Gedanken machen müssten, welche Auswirkungen ihre Tätigkeiten auf Umwelt und Menschenrechte hätten. Die Sorgfaltspflichten in Lieferketten sollten ebenfalls eine Rolle spielen. Man wolle gesetzgeberisch tätig werden, und auch eine Haftung werde diskutiert - zivilrechtlich, aber auch strafrechtlich. Konkrete Vorschläge werde es im kommenden Jahr geben.
Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Dieter Kempf, forderte die Politik auf, die Wirtschaft in der aktuellen Corona-Krise nicht noch mehr zu belasten. Themen wie ein Lieferkettengesetz "könnten wir uns als zusätzliche Belastungen locker ersparen", sagte er dem Fernsehsender Phoenix.
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