Düsseldorf (epd). Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Beschäftigten mit einem Tarifvertrag weiter gesunken. Die bundesweite Quote ging im Vergleich zu 2018 von 54 auf 52 Prozent zurück, wie die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung am Donnerstag in Düsseldorf mitteilte. Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen lagen 2018 mit jeweils 60 Prozent der Beschäftigten mit Tarifbindung bundesweit an der Spitze, Schlusslicht war Sachsen mit 40 Prozent.
Gemeinsam sei allen Bundesländern, dass die Arbeitsbedingungen in wesentlichen Punkten wie Arbeitszeit und Entlohnung in tariflosen Betrieben deutlich schlechter seien, hieß es. So arbeiteten Vollzeitbeschäftigte in tariflosen Firmen im bundesweiten Schnitt wöchentlich eine Stunde länger und verdienten gleichzeitig deutlich weniger als Kollegen in Unternehmen mit Tarifbindung. "Diese Unterschiede unterstreichen die Dringlichkeit, die Tarifbindung in Deutschland zu stärken", erklärten Malte Lübker und Thorsten Schulten vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.
Vollzeitbeschäftigte in tariflosen Betrieben arbeiteten bundesweit im Schnitt wöchentlich 53 Minuten länger und verdienen elf Prozent weniger als Beschäftigte in Betrieben mit Tarifbindung. Längere Arbeitszeiten in tariflosen Betrieben seien in den westdeutschen Bundesländern besonders ausgeprägt. Beim Entgelt zeigen sich der Untersuchung zufolge die größten Nachteile in den neuen Bundesländern: In Brandenburg verdienen Beschäftigte in tariflosen Betrieben monatlich 17,7 Prozent weniger als Arbeitnehmer in vergleichbaren Betrieben mit Tarifbindung, in Sachsen-Anhalt beträgt der Rückstand 18,3 Prozent.
Laut der Wissenschaftler sei es "eine bedrohliche Entwicklung", dass die Tarifbindung in den vergangenen zwei Jahrzehnten abgenommen habe. Im Jahr 2000 hätten noch 68 Prozent der Beschäftigten einen Tarifvertrag gehabt. Einen Grund für die Entwicklung sehen Lübker und Schulten im wirtschaftliche Strukturwandel. Durch den seien vor allem in den industriellen Großbetrieben Arbeitsplätze verloren gegangen. Hinzu käme, dass sich auch Arbeitgeber aus Branchen, in denen Tarifverträge traditionell verwurzelt seien, zunehmend einer tariflichen Bezahlung entzögen.