Frankfurt a.M. (epd). Nach monatelanger Corona-Pause sind am Freitag erstmals wieder Demonstranten der "Fridays for Future"-Bewegung auf die Straße gegangen. In Deutschland beteiligten sich Tausende Menschen am sechsten globalen Klimastreik unter dem Motto "Kein Grad weiter!". Insgesamt gab es hierzulande Aktionen an 400 Orten - in vielen Fällen kamen allerdings weniger Menschen als erwartet. Es war der erste Klimaaktionstag von "Fridays for Future" mit Demonstrationen im öffentlichen Raum seit dem 29. November 2019. Weltweit waren Kundgebungen in 2.500 Städten geplant.
In Berlin zogen verschiedene Demonstrationszüge, darunter Kolonnen von Fahrradfahrern, durch das Regierungsviertel. Auch an einem Sitzstreik am Brandenburger Tor beteiligten sich trotz Regens zahlreiche junge Menschen. Die Polizei sprach am frühen Freitagnachmittag, als die Proteste noch liefen, von mehr als 5.000 Menschen vor Ort. Beim letzten Klimastreik hatte die Polizei mehrere Zehntausend Teilnehmer allein im Regierungsviertel verzeichnet.
In Bonn gingen nach Angaben von Aktivisten am Vormittag 3.000 Menschen auf die Straße, dort nahmen neben Schülern auch Wissenschaftler der Universität an der Demonstration teil. In Köln, wo der Protesttag am Mittag begann, erwarteten die Veranstalter rund 3.000 Demonstranten. In Frankfurt am Main beteiligten sich an drei Aufzügen insgesamt rund 2.300 Menschen. Die Polizei in Bremen meldete 2.700 Teilnehmer. In Hannover kamen etwa 1.300 zusammen - dort waren insgesamt rund 20.000 Teilnehmer erwartet worden.
In Hamburg erlaubte das Verwaltungsgericht per Eilbeschluss, dass an drei geplanten Demonstrationen am Nachmittag jeweils 3.500 Menschen teilnehmen dürfen. Die Stadt wollte nur 1.000 Teilnehmer pro Aufzug zulassen. Die Kundgebung in München indes war wegen der dortigen hohen Infektionszahlen bereits am Donnerstag abgesagt worden.
Der Klimaforscher Stefan Rahmstorf sagte bei der Kundgebung am Brandenburger Tor, die Corona-Krise sei sehr groß, die Klima-Krise sei jedoch um ein Vielfaches dramatischer. Sie werde die Erde noch über Jahrtausende hinweg belasten, erklärte Rahmstorf, der die Abteilung für Erdsystemanalyse am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung leitet. Selbst wenn der Kohlendioxidausstoß auf null reduziert werden könne, werde die nächste in rund 50.000 Jahren fällige Eiszeit ausfallen, weil selbst dann noch zu viel CO2 in der Atmosphäre sei.
Auch der Meeresspiegel werde noch lange Zeit ansteigen, betonte Rahmstorf. An vielen Orten zeige sich derzeit, dass die globale Erwärmung auch das Waldbrandrisiko massiv verschärfe. Im Atlantik sei eine Rekordhurrikansaison zu verzeichnen.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte im Deutschlandfunk, es sei richtig, dass die jungen Menschen ihre Überzeugung zum Ausdruck brächten. "Die Erderwärmung macht keine Pause", sagte Altmaier. Er habe Vorschläge gemacht, wie man beim Klimaschutz schneller und besser werden könne. Das müsse aber mit wirtschaftlichem Erfolg einhergehen, betonte Altmaier: "Die Menschen in der ganzen Welt wollen Wohlstand, und wir müssen zeigen, wie man Wohlstand mit Klimaschutz verbinden kann."
"Fridays for Future"-Sprecherin Luisa Neubauer warf der Bundesregierung indes Tatenlosigkeit beim Klimaschutz vor. So reiche beispielsweise die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, die das Kabinett diese Woche auf den Weg gebracht hat, keinesfalls aus, um die Pariser Klimaziele zu erreichen, sagte Neubauer im SWR-"Tagesgespräch".
Überhaupt müsse von der Regierung und von Bundeswirtschaftsminister Altmaier noch "richtig viel kommen, dass man Zutrauen gewinnen kann", fügte sie hinzu. Rhetorik rette nicht das Klima und auch nicht die Zukunft. Sie lasse sich aber gerne vom Bundeswirtschaftsminister, der eine Charta für mehr Klimaschutz angekündigt hat, überraschen.
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