Seesen, Berlin (epd). Die erste Reformsynagoge der Welt, der Jacobstempel in Seesen, soll gemeinsam mit der dortigen Jacobsonschule virtuell rekonstruiert und mittels sogenannter Extended Reality erlebbar werden. Mit dem Projekt werde eine wichtige Facette jüdischer Geschichte sichtbar und durch innovative Vermittlung auch für junge Menschen attraktiv, sagte der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, am Donnerstag. "Diesen Aspekt halte ich für besonders relevant, denn die junge Generation wird die Zukunft des deutsch-jüdischen Lebens gestalten."
Der Jacobstempel, der als Keimzelle des Reformjudentums gilt, wurde von den Nationalsozialisten in der Pogromnacht 1938 komplett zerstört. Die in der Seesener Innenstadt liegende Jacobsonschule, in dessen Innenhof die Synagoge stand, sei ebenfalls nur noch teilweise erhalten, teilten die Initiatoren vom Israel Jacobson Netzwerk (IJN) mit. Die digitale Anwendung solle helfen, die zerstörte Geschichte zum Leben zu erwecken und Anreize geben, den Ort selbst zu entdecken. Die App könne ab 2021 kostenlos für Nutzer weltweit aber auch für Besucher vor Ort über das Smartphone und Tablet abgerufen werden.
In der App führten virtuelle Personen aus der Zeit Besucher auf erzählerische Weise durch die rekonstruierten Bauwerke, hieß es. Gleichzeitig werde auch Wissen über das Wirken vom Bankier und Rabbiner Israel Jacobson (1768-1828) vermittelt, der als Vorreiter der jüdischen Aufklärung und des Reformjudentums in Deutschland gilt. Durch einen spielerischen Ansatz werde die Lust auf das Entdecken gefördert, denn der Nutzer könne seine eigene Variante der Geschichte entwickeln, anstatt einer linearen Erzählstruktur folgen zu müssen.
Das Projekt wird von einem interdisziplinärem Team von Judaisten, Bauhistorikern und Historikern des Netzwerks erarbeitet. Das "Israel Jacobson Netzwerk" ist ein 2016 gegründeter Verein, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Region um Braunschweig als weltweit bedeutenden Ort jüdischer Aufklärung bekanntzumachen.