Berlin (epd). Nach Ansicht des Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, ist jüdisches Leben in Deutschland selbstverständlicher geworden. "International war es nicht en vogue, unbedingt als Jude in Deutschland nach der Schoah zu leben", sagte Schuster am Dienstag im RBB-Inforadio. Das habe sich deutlich geändert. Am Vormittag feiert der Zentralrat mit einem Festakt in Berlin sein 70-jähriges Bestehen.
Es sei heute für jüdische Menschen außerhalb Deutschlands selbstverständlich, dass es wieder eine jüdische Gemeinschaft in Deutschland gibt, sagte Schuster. In Deutschland indes habe er das Gefühl, dass jüdisches Leben hierzulande noch nicht quer durch die Bevölkerung als selbstverständlich angesehen werde.
Generell gebe es weiter sehr viele Ressentiments gegen Juden, sagte der Zentralratspräsident. Er selber bekomme antisemitische Mails und Zuschriften, auch am Stammtisch gebe es solche Äußerungen. In Zusammenhang mit der Corona-Pandemie seien auch Verschwörungsmythen wieder aufgetaucht, ähnlich wie im Mittelalter, als es um Brunnenvergiftung und die Pest ging.
Man wisse, dass etwa 20 Prozent der deutschen Bevölkerung Vorurteile gegen Juden hätten. 80 Prozent hätten aber keine. Mit Blick auf die AfD sagte Schuster, wenn man auf die vergangenen Jahre zurückblicke, so werde inzwischen deutlich offener gehetzt.
Zudem sei der Anschlag auf die Synagoge in Halle im Oktober 2019 ein massiver Rückschlag gewesen. Danach habe es jedoch auch viel Solidarität gegeben. "Ich kann sagen, dass nach dem Anschlag von Halle eine Welle der Solidarität zu bemerken war, die ihresgleichen nach der Schoah suchen kann", sagte Schuster.