Berlin (epd). Die Bundesregierung hat die Bereitschaft zur Aufnahme weiterer Flüchtlinge von der griechischen Insel Lesbos signalisiert. Nach dem Brand des Flüchtlingscamps Moria sei eine "einmalige Notsituation" entstanden, sagte der Sprecher von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Steffen Seibert, am Montag in Berlin. Merkel selbst sagte später, Deutschland könne sicherlich "einen substanziellen Beitrag" leisten. Dies müsse aber in ein Gesamtkonzept eingebettet sein, sagte sie mit Verweis auf die angestrebte EU-Asylreform. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will die Diskussion darum beschleunigen. Ihre Vorschläge will die Kommission nach ihren Worten nun schon in der kommenden Woche, am 23. September, vorlegen.
Konkrete Zahlen für eine weitere Aufnahme der nach dem Brand des Camps in Moria obdachlos gewordener Schutzsuchender nannte Merkel nicht. Die SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken hatte gefordert, eine vierstellige Anzahl von Menschen aus Griechenland nach Deutschland zu holen.
Die CDU gab dem Drängen des Koalitionspartners in der Sache nach. "Wenn es neben den bisher verkündeten Maßnahmen zu der ersten Aufnahme von Menschen in der Bundesrepublik aus Moria weiterer Anstrengungen bedürfen sollte, um unsere griechischen Partner zu entlasten, dann ist die CDU der Auffassung, dass Deutschland diese einmalige Kraftanstrengung unternehmen sollte", sagte CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak nach der Präsidiumssitzung am Montag. Auf eine Zahl wollte auch er sich aber nicht festlegen.
Am Freitag hatte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) mitgeteilt, dass insgesamt zehn europäische Staaten 400 unbegleitete Minderjährige aus Moria aufnehmen wollen, die nach dem Brand des Camps kein Obdach mehr haben. 100 bis 150 davon wird nach seinen Worten Deutschland aufnehmen. Angesichts von rund 13.000 vom Brand in Moria betroffenen Menschen sorgte die im Verhältnis niedrige Zahl für viel Kritik.
Seehofer hatte aber auch in Aussicht gestellt, dass in einem weiteren Schritt zusätzlich Familien mit Kindern aufgenommen werden könnten. Nach Angaben von Hilfsorganisationen ist die Lage vor Ort weiter dramatisch. Laut "Mission Lifeline" ist teilweise nicht abzusehen, wann die Menschen etwas zu essen bekommen. "Ärzte ohne Grenzen" hat nach eigenen Angaben eine Notfallklinik aufgebaut.
Die Bundesregierung unterstrich am Montag erneut, dass sie vor allem vor Ort helfen wolle. Wie das Bundesinnenministerium mitteilte, hat das Technische Hilfswerk inzwischen Zelte, Feldbetten, Iso-Matten und Schlafsäcke in großer Zahl nach Griechenland geschickt. Weitere Transporte sollen folgen. Essentransporte sind nach Angaben eines Sprechers nicht geplant.
Daneben laufen die Überlegungen für die Nachfolge des abgebrannten Flüchtlingslagers. Von der Leyen unterstrich am Montag den Vorschlag der EU-Kommission, für ein künftiges Zentrum gemeinsam mit Griechenland die Verantwortung zu übernehmen. Merkel begrüßte die Idee als wichtigen Schritt zu einer stärkeren Europäisierung und sprach von einem "Pilotprojekt". Von der Leyen sagte, dabei müsse vertraglich verabredet müssen, wie dies konkret gestaltet werden könne.
Die Kommissionspräsidentin versteht die Idee nach eigenen Worten als Teil des sogenannten Migrationspakts, der angestrebten Reform des EU-Asylsystems, die seit Jahren stockt. Die Kommission will während der derzeitigen EU-Ratspräsidentschaft einen neuen Vorschlag präsentieren. Ursprünglich war dies für den 30. September angekündigt und wird laut von der Leyen nun um eine Woche vorgezogen.