Berlin (epd). Der Präsident der Konferenz der Europäischen Rabbiner (CER), Pinchas Goldschmidt, hat den deutschen Antisemitismusbeauftragten Felix Klein gegen Kritik aus der Wissenschaft verteidigt. Die Vorwürfe gegen Klein und der relativierende Umgang mit dem leider wieder grassierenden Antisemitismus, die von mehr als 60 Wissenschaftlern, Schriftstellern und Künstlern geäußert worden seien, habe die jüdische Gemeinschaft verletzt, schreibt Goldschmidt in einem am Freitag bekanntgewordenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Wer solche am wirklichen Problem vorbeigehende Debatten initiiere, leiste damit Antisemiten nicht nur einen Vorschub, sondern ignoriere, in welcher schwierigen Situation sich heute Europas Juden befänden, heißt es darin weiter.
Klein war vorgeworfen worden, seine Kritik am Postkolonialismus-Forscher Achille Mbembe sei ein Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit. Im Kern der Auseinandersetzung stehen Schriften Mbembes, in denen er einen Zusammenhang zwischen dem Holocaust und dem Verhalten Israels gegenüber den Palästinensern herstellt. Ähnlich wie in den postkolonistischen Staaten Afrikas würden in Israel die einstigen Opfer (die Juden) zu Verfolgern, die Verbrechen und Ungerechtigkeiten wiederholten, argumentierte Mbembe. Von der israelfeindlichen Boykottbewegung BDS hat er sich inzwischen distanziert.
Goldschmidt schreibt, man könne mit der Politik des Staates Israels einverstanden oder nicht einverstanden sein, diese aber auf die hier - und das in den allermeisten Fällen - sehr gerne hier lebenden Juden zu projizieren, sei ein neuer Tiefschlag in der Antisemitismusbekämpfung. Er frage sich, wie mit solchen "irritierenden Debattenanstößen" das bevorstehende Festjahr "1.700 Jahre Jüdisches Leben" begangen werden könne. Er wünsche sich vielmehr eine Debatte in Deutschland, die den Kern von Antisemitismus bekämpfe.
Der Zentralrat der Juden in Deutschland hatte Klein gegen die Anfeindungen und Kritik in Schutz genommen. "Der Vorwurf, er unterdrücke Debatten oder wolle Kritiker der israelischen Regierung mundtot machen, ist haltlos und in unseren Augen auch respektlos", hieß es in einem am Mittwoch veröffentlichten Offenen Brief von Zentralratspräsident Josef Schuster an Bundeskanzlerin Merkel.
Als Europäisches Rabbinat vertritt die CER mehr als 700 Rabbiner von Dublin bis Wladiwostok und damit die größten jüdischen Gemeinden Europas. Die CER tritt für die religiösen Rechte der Juden in Europa ein. Präsident der CER ist seit 2011 der Oberrabbiner von Moskau, Pinchas Goldschmidt.