Zentralrat: Tausende Jesiden kehren in die Sindschar-Region zurück

Zentralrat: Tausende Jesiden kehren in die Sindschar-Region zurück
28.07.2020
epd
epd-Gespräch: Mey Dudin

Berlin (epd). Sechs Jahre nach dem Überfall der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) auf die Sindschar-Region im Nordirak siedeln sich Tausende Jesiden wieder in ihrer Heimat an. "In den vergangenen Wochen sind etwa 2.200 Familien in ihre Dörfer zurückgekehrt", sagte der Vorsitzende des Zentralrats der Jesiden in Deutschland, Irfan Ortac, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das seien mindestens 14.000 Menschen.

Um den 3. August 2014 hatte der Völkermord des IS an den Jesiden begonnen. Schätzungen zufolge wurden damals mindestens 5.000 Männer getötet, Tausende Frauen und Kinder verschleppt. Im Dezember 2017 verkündete der Irak die Vertreibung der Dschihadisten, aber immer noch befinden sich mehr als 2.000 jesidische Mädchen und Frauen in der Gewalt der Islamisten. Zur Situation der Rückkehrer sagte Ortac: "Einige Orte sind völlig zerstört und vermint. Dennoch trotzen die Flüchtlinge dieser Gefahr, weil der Wunsch, in ihre Dörfer zurückzukehren, größer ist."

Neu sei, dass jesidische Familien nun auch Dörfer und Kleinstädte südlich des Sindschar-Gebirges wieder aufbauten. Bislang sei vor allem die nördliche Region wieder besiedelt worden. "Es sind die Ortschaften, die als erste vom IS angegriffen und als letzte befreit wurden", sagte Ortac. Die Bewohner versuchten nun gemeinsam mit einigen Nichtregierungsorganisationen die Straßen wieder befahrbar zu machen. Es gebe dort keinen Strom, kein fließend Wasser, auch keine Brunnen.

Dennoch eröffneten die Menschen bereits kleine Geschäfte, einige Felder und Gärten würden bestellt. Es fehlten aber Maschinen, Saatgut und Tiere, die früher im Besitz der Familien gewesen seien. Immerhin sei dies ein Anfang: "Es herrscht eine gewisse Aufbruchsstimmung nach der Perspektivlosigkeit im Flüchtlingscamp." Die Menschen sind nach Angaben des Zentralratsvorsitzenden sehr risikobereit: "Jesidische Frauen und Mädchen gehen freiwillig auf die Suche nach Landminen, machen Handyvideos und holen sich online Rat zur Entschärfung."

Ortac rief die Bundesregierung auf, den Aufbau der Sindschar-Region stärker zu unterstützen. Im Sommer 2014 seien deutsche Waffenlieferungen an die Kurden im Irak im Kampf gegen den IS damit begründet worden, dass das Leben der Minderheiten, vor allem der besonders bedrohten Christen und Jesiden, geschützt werden müsse. Jetzt sei es nötig, auch die Zukunft der Minderheiten in ihrer Heimat zu sichern.

Vor dem IS-Überfall im August 2014 hatten etwa 600.000 Jesiden in der Sindschar-Region gelebt. Ein Teil von ihnen konnte sich retten, doch viele Männer wurden ermordet, Frauen und Kinder verschleppt und als Sklaven gehalten. Nach der Vertreibung der Dschihadisten hielten sich nur noch rund 40.000 Jesiden in ihrem Stammland auf.

epd mey/et kfr