Frankfurt a.M. (epd). Die kurzfristig gestiegene Zahl der Corona-Neuinfektionen alarmiert die deutsche Politik. Aus Sicht des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) hat eine zweite Infektionswelle in Deutschland begonnen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) führt die Entwicklung vor allem auf mehr Reisen und die Rückkehr von Menschen aus Risikogebieten zurück. Er kündigte an, nach dem Beschluss der Gesundheitsminister von Bund und Ländern zum flächendeckenden Angebot kostenloser Corona-Tests für Reiserückkehrer eine entsprechende Testpflicht zu prüfen.
Das Robert Koch-Institut meldete am Samstag 781 neu übermittelte Corona-Fälle, nach 815 am Vortag. Dieser Wert sei deutlich höher als in den Vorwochen mit im Schnitt etwa 500, erklärte das Institut am Freitag und nannte die Entwicklung "sehr beunruhigend". "Eine weitere Verschärfung der Situation muss unbedingt vermieden werden", hieß es.
Gesundheitsminister Spahn sagte am Samstag im Deutschlandfunk, er sei "schon wachsam mit diesen Zahlen". "Wir hatten so eine hohe Zahl wie lange nicht, das ist noch auf niedrigem Niveau, aber sie steigt", fügte er hinzu. Zunächst setze er drauf, dass rückkehrende Reisende aus Risikogebieten das Angebot kostenloser Tests freiwillig wahrnehmen. Zugleich werde aber eine rechtliche Verpflichtung geprüft. Allerdings schauten Gerichte in einem freien Rechtsstaat sehr genau, dass jeder Eingriff in die individuelle Freiheit verhältnismäßig sei.
Auch Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, sieht die Infektionsgefahr bei Reisen, setzt bei den am Freitag von Bund und Ländern vereinbarten Tests aber auf Freiwilligkeit. "Die Deutschen sind auch in der Corona-Krise Reiseweltmeister", sagte er der "Passauer Neuen Presse" (Samstag). Das Robert Koch-Institut weise derzeit 130 Staaten als Risikogebiete aus. Aus Landsbergs Sicht sollten nicht nur an Flughäfen, sondern auch in Reisezentren der Deutschen Bahn kostenfreien Tests zur Verfügung gestellt werden.
Der Würzburger Bundestagsabgeordnete und Infektiologe Andrew Ullmann (FDP) bezeichnete die Tests für Reiserückkehrer am Samstag im WDR-"Morgenecho" als "sehr gute Maßnahme". Sie komme allerdings ein bisschen spät, weil die Sommerferien schon liefen.
Der sächsische Ministerpräsident Kretschmer sagte der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Samstag): "Wir haben jeden Tag neue Infektionsherde, aus denen sehr hohe Zahlen werden könnten." Die Aufgabe bestehe darin, mit den Gesundheitsämtern diese Welle jeden Tag neu zu brechen. "Das klappt erstaunlich gut", sagte er.
Nach Ansicht des CDU-Politikers kann Deutschland durch sein föderales System präziser vorgehen als zentralistisch regierte Länder wie Frankreich oder Polen. Die Ministerpräsidenten könnten abwägen, was gezielt für einzelne Regionen geregelt werden könne. "Die Corona-Pandemie ist die erste zentrale gemeinsame Krisenerfahrung in Deutschland. Und das Schöne ist: Die Menschen in Ost und West ticken in dieser Krise gleich", sagte er. 30 Jahre nach der Wiedervereinigung gebe es da keine Unterschiede. Corona sei "der beste Beweis dafür, dass dieses Land zusammengewachsen ist".
epd kfr