Berlin (epd). Die Einigung beim EU-Gipfel auf Finanzhilfen zur Bewältigung der Corona-Krise und den künftigen EU-Haushalt stößt bei Parteien und Verbänden in Deutschland neben Erleichterung auch auf Kritik. Während die Regierungsparteien den Kompromiss als zukunftsweisend begrüßten, kritisierten Grüne, Linke und Umweltverbände, gerade bei den Investitionen in den ökologischen Umbau Europas sei gekürzt worden.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) zeigte sich erleichtert. Mit der Einigung in Brüssel sei die Ampel für den Green-Deal in der EU auf Grün gesprungen, sagte er. Zudem werde das EU-Konjunkturpaket vielen Menschen helfen, die Krise besser zu überstehen. Zu den Zukunftsinvestitionen sagte Altmaier, er sei froh, dass ein Drittel der Ausgaben in den Klimaschutz investiert werden sollen. Das reiche nicht, sei aber ein Anfang, erklärte er. Bei Innovationen gehe es darum, dass sich Europa und die deutsche Wirtschaft "nicht abhängen lassen".
Die Unionsfraktion im Bundestag sprach von einer klaren Ausrichtung "auf Innovation und Zukunftstechnologien". Der Vize-Fraktionsvorsitzende Andreas Jung und Haushälter Eckhardt Rehberg (beide CDU) erklärten, die Corona-Finanzhilfen seien ein "Vitaminschub für nachhaltige Entwicklung".
Demgegenüber bemängelten der Sprecher der Grünen im Europarlament, Sven Giegold, und die Europapolitikerin der Grünen im Bundestag, Franziska Brantner, die Einigung sei auf Kosten der EU-Zukunftsprogramme erfolgt. Beim Klimaschutz werde genauso gekürzt wie in der Gesundheitspolitik und bei Bildung und Forschung, kritisierten sie. Giegold erklärte, das Europaparlament müsse jetzt alles daran setzen, für die Zukunftsprogramme möglichst viel herauszuholen.
Auch Greenpeace Deutschland drang auf konkrete Beschlüsse. Das Europäische Parlament müsse verbindlich ausschließen, dass EU-Gelder weiterhin Konzerne und Agrarfabriken finanzieren, die auf Kosten von Natur und Klima wirtschaften, forderte Geschäftsführer Martin Kaiser. Die Deutsche Umwelthilfe erklärte, 30 Prozent für den Klimaschutz seien zu wenig, es hätten mindestens 40 Prozent der Ausgaben sein müssen.
Die AfD und die Linke kritisierten die Finanzierungsvereinbarungen des Gipfels. Während die Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion Alice Weidel Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vorwarf, Europapolitik gegen die Interesse der deutschen Bürger und Steuerzahler zu betreiben, hob der Vorsitzende der Linksfraktion, Dietmar Bartsch hervor, die "gigantischen Krisenkosten" würden vorwiegend Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen aufgelastet. Eine EU-weite Vermögensabgabe habe bei den Beratungen in Brüssel nicht einmal zur Debatte gestanden, kritisierte Bartsch in den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Online Dienstag, Print: Mittwoch)
Die europäischen Staats- und Regierungschefs hatten sich bei ihrem Gipfel in Brüssel auf das größte Finanzpaket in der Geschichte der EU (Mehrjähriger Finanzrahmen / MFR) geeinigt. Es setzt sich aus dem regulären EU-Haushalt für die Jahre 2021 bis 2027 und einem speziellen Wiederaufbaufonds zusammen, der auf die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise abstellt. Der MFR hat laut offiziellem Abschlussdokument ein Volumen von 1,0743 Billionen Euro, der Wiederaufbaufonds bringt zusätzliche 750 Milliarden Euro. Klimapolitik soll zum Querschnittsthema werden. 30 Prozent der Ausgaben des Finanzpaketes sollen zu dem - noch zu vereinbarenden - EU-Klimaziel für 2030 beitragen. Das Paket muss nun ausgearbeitet und mit dem Europaparlament verhandelt werden.