Frankfurt a.M., Wiesbaden (epd). An mehrere Politikerinnen der Linken und eine Kabarettistin sind erneut mit "NSU 2.0" gezeichnete Drohmails verschickt worden. Das bestätigte am Donnerstag die Frankfurter Staatsanwaltschaft. Nach Angaben ihrer Sprecherin Nadja Niesen gingen die Mails sowohl an die Bedrohten selbst als auch einen größeren Empfängerkreis, darunter auch an Fraktionen und Medien. Der Duktus mit den Todesdrohungen entspreche dem der schon bisher anonym versandten Mails.
Als Empfängerinnen nannte Niesen konkret die Linken-Fraktionschefin im Hessischen Landtag, Janine Wissler, ihre Berliner Amtskollegin Anne Helm, die Linken-Bundestagsabgeordnete Martina Renner und die Kabarettistin Idil Baydar. Nach Informationen des Hessischen Rundfunks richteten sich die neuen Drohmails auch an die Redaktion der Maybrit-Illner-Talkshow im ZDF und an die taz-Journalistin Hengameh Yaghoobifarah, die vor einem Monat eine umstrittene Kolumne über die Polizei verfasst hatte. In den Schreiben werde auch Bezug genommen auf den Rücktritt des hessischen Landespolizeipräsidenten Udo Münch vom Dienstag.
Die Drohmails von Rechtsextremisten waren bereits 2018 erstmals an die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz geschickt worden. Im Februar kam die Linken-Politikerin Wissler hinzu, die auch stellvertretende Bundesvorsitzende ihrer Partei ist. Persönliche Daten über die beiden und auch die seit 2019 bedrohte Berliner Kabarettistin Baydar waren zuvor von Polizeicomputern aus Frankfurt und Wiesbaden abgerufen worden. Die Ermittlungen haben bislang nicht zur Ermittlung des oder der Täter geführt.
In der neuen "NSU 2.0"-Mail wünscht der Verfasser den prominenten Frauen den Tod. Die Frauen überschritten aus Sicht der rechtsextremen Täter Geschlechtergrenzen, sagte die Wiener Politikwissenschaftlerin Birgit Sauer dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Dafür müssen sie diszipliniert werden, man versucht ihnen Angst zu machen", sagte sie. Hinter den Drohschreiben vermutet Sauer "Männer mit einer tiefen narzisstischen Kränkung, die Frauen, die nicht in ihr Weltbild passen, geradezu vernichten wollen, um das eigene Ego wiederherzustellen".
Der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck forderte als Reaktion auf die jüngsten Verdachtsfälle von Rechtsextremismus in der Polizei unabhängige Ermittler sowie Polizeibeauftragte in Bund und Ländern. In Gesprächen mit der Düsseldorfer "Rheinischen Post" und dem Bonner "General-Anzeiger" (Donnerstag) schloss er nicht aus, dass sich auch der Generalbundesanwalt einschaltet.
Nach Informationen des Südwestrundfunks (SWR) gab es in der hessischen Polizei bereits 2017 illegale Datenabfragen durch Polizisten, die mutmaßlich der rechten Szene nahestanden. Das geht aus einer bisher unveröffentlichten Vorlage des hessischen Innenministeriums für den Innenausschuss des Landtags vom 3. Juni dieses Jahres hervor, wie der SWR am Donnerstag in Mainz mitteilte. Danach hatten zwei Polizisten "unzulässige Abfragen im Polizeisystem" getätigt. Bei den Personen habe der "Verdacht des Sympathisierens mit Reichsbürgern" bestanden.