München (epd). Der Münchner Erzbischof, Kardinal Reinhard Marx, warnt vor wachsenden sozialen Spannungen in Deutschland durch die Corona-Krise. Die Ungleichheiten würden nicht kleiner, sondern größer - sie seien vorher schon groß gewesen, sagte Marx laut Mitteilung seines Erzbistums am Donnerstagabend in München. Von Krisen profitierten oft diejenigen, die ohnehin in saturierten Verhältnissen lebten.
Derzeit werde zwar die Bedeutung von Pflegekräften und Beschäftigten im Einzelhandel betont - "aber wir müssen langfristig schauen, ob sie dann auch wirklich zu denen gehören, die durch die Krise an Bedeutung gewinnen", mahnte Marx. Im Bildungsbereich werde die Chancenungleichheit gerade offensichtlich. Die Unterschiede würden größer zwischen den Kindern, die zu Hause Hilfe haben - und sei es nur, was die technischen Dinge angeht - und denen, die in weniger guten sozialen Verhältnissen lebten.
Er sei froh, dass Populisten aktuell "nicht so en vogue" seien. Jetzt seien Politiker gefragt, die die Probleme auch tatsächlich lösen könnten. "Aber nach der Krise, wenn die Ungleichheit sichtbar wird, wenn deutlich wird, dass manche ihren Job für immer verloren haben, ihre Zukunftsidee, dass ihre Lebenspläne endgültig hinüber sind - dann wird die Spannung vielleicht größer," sagte Marx. Marx war bis März Vorsitzender der katholischen Deutschen Bischofskonferenz.