Berlin (epd). Produkte in deutschen Supermarktregalen werden einer Untersuchung zufolge oftmals unter ausbeuterischen Bedingungen hergestellt. Auch im internationalen Vergleich schnitten die unter die Lupe genommenen Ketten Lidl, Aldi, Rewe und Edeka schlecht ab, erklärte die entwicklungspolitische Organisation Oxfam am Dienstag in Berlin bei der Veröffentlichung eines entsprechenden Berichts. Lidl habe sich zwar auf den dritten Platz verbessert, Edeka bilde jedoch wie im vergangenen Jahr das Schlusslicht von 16 untersuchten Supermärkten in den USA, Großbritannien, den Niederlanden und Deutschland. Edeka wies die Vorwürfe zurück, Lidl sagte weitere Maßnahmen zu.
"Konzerne tun zu wenig dagegen, dass die Menschen, die das Essen in den Supermarkregalen herstellen, ausgebeutet werden", erklärte Oxfam-Expertin Franziska Humbert. Im dritten Jahr in Folge untersuchte Oxfam die Lieferketten der Supermärkte auf Transparenz, Arbeitnehmerrechte, den Umgang mit Kleinbäuerinnen und Kleinbauern und Frauenrechte.
Dabei erhielt keiner der vier deutschen Konzerne mehr als ein Drittel der möglichen Punkte. Am besten schnitt Lidl mit 32 Prozent ab, am schlechtesten Edeka mit drei Prozent. Dies zeige, wie dringend es in Deutschland ein Lieferkettengesetz brauche. Dass die britischen Supermarktketten wie Tesco besser abschnitten, liege unter anderem daran, dass die Konzerne in Großbritannien per Gesetz über ihre Menschenrechtspolitik berichten müssten.
Edeka kritisierte den Oxfam-Bericht. "Beim 'Supermarkt-Check' handelt es sich um eine Kampagne, nicht um eine objektive Studie", sagte Konzern-Sprecherin Andrea Ebert dem Evangelischen Pressedienst (epd). Bewertet werde nur die Außendarstellung eines Unternehmens, nicht das wirkliche Engagement. Edeka beteilige sich unter anderem an einer Arbeitsgruppe zu existenzsichernden Löhnen zusammen mit der staatlichen Entwicklungshilfeorganisation GIZ. Eine dauerhafte Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Lieferländern sei ein wichtiges Anliegen des Unternehmens.
Das größte Problem ist der Studie zufolge der Preiskampf der Supermärkte. Den bezahlten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weltweit mit Hungerlöhnen. "Was uns Corona-Ausbrüche in deutschen Schlachtbetrieben vor Augen führen, ist auch in den internationalen Lieferketten menschenunwürdige Realität mit bitteren Folgen", betonte Oxfam-Expertin Humbert. So habe im indischen Assam mehr als die Hälfte der von Oxfam befragten Arbeiterinnen und Arbeiter auf Teeplantagen nicht genug zu essen.
Edeka sei der einzige der untersuchten deutschen Supermärkte, der nicht eine Vereinbarung zu existenzsichernden Löhnen entlang der Lieferkette unterzeichnet habe, hieß es weiter. Lidl habe vor allem mit der Veröffentlichung der Zulieferer punkten können und sich von neun auf 32 Prozent gesteigert. "Dieser Schritt von Lidl zeigt: Supermärkte können - wenn sie denn wollen", sagte Humbert. Auch Rewe, Aldi Süd und Aldi Nord hätten ihre Menschenrechtspolitik verbessert, jedoch höchstens ein Viertel der möglichen Punkte erreicht.
Lidl begrüßte auf epd-Anfrage, dass sich die Bemühungen des Konzers in der Studie widerspiegelten und sagte weitere Maßnahmen zu. So solle bis 2021 der Einfluss des Unternehmens auf Menschenrechtsrisiken für Frauen, Kleinbauern und Arbeiter bei der Herstellung von Tee in Kenia, Bananen in Südamerika und Beeren in Spanien untersucht werden.
Das katholische Hilfswerk Misereor kritisierte ebenfalls die Preispolitik der Handelsketten. Die scheinbar günstigen Preise hätten zur Folge, dass immer mehr Produkte erzeugt werden, die für das Gemeinwohl und die Umwelt schädlich sind, erklärte Geschäftsführer Thomas Antkowiak. "Derzeit bildet der Preis nicht ab, ob Lebensmittel zum Beispiel durch Kinderarbeit hergestellt, unfaire Löhne gezahlt oder unter welchen Umständen die Produkte hergestellt werden."