Düsseldorf, Gütersloh (epd). Nach einer Woche enden am Mittwochmorgen im Kreis Warendorf die Einschränkungen des öffentlichen Lebens wegen der Corona-Pandemie. Dagegen müssten die mehr als 360.000 Bewohner des Kreises Gütersloh noch mindestens bis zum 7. Juli mit Lockdown-Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen leben, teilte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) am Montag in Düsseldorf mit. Die landesweit geltenden Abstands- und Hygienevorschriften würden um zwei Wochen bis Mitte Juli verlängert.
Laschet begründete die Aufhebung der Maßnahmen im Kreis Warendorf damit, dass das Coronavirus von den Beschäftigten des Fleischverarbeiters Tönnies nicht auf die allgemeine Bevölkerung übergesprungen sei. Dies hätten die massiv ausgeweiteten Tests ergeben. Im Kreis Gütersloh zeigten die bisherigen Befunde zwar ebenfalls, dass die Sars-CoV-2-Infektionen auf den Fleischbetrieb in Rheda-Wiedenbrück lokalisiert werden könnten. Aus Vorsicht würden die Beschränkungen jedoch um eine Woche verlängert. Zunächst sollten weitere Testergebnisse abgewartet werden, um ein Überspringen des Virus auf die allgemeine Bevölkerung ausschließen zu können.
Für Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) stimmt die Entwicklung im Kreis Gütersloh zwar zuversichtlich. Auf Grundlage der vorliegenden Zahlen sei derzeit noch nicht sicher, ob das Infektionsgeschehen auf den Schlachtbetrieb Tönnies eingegrenzt werden könne, in dem mehr als 1.500 Mitarbeiter positiv getestet worden waren - dieser Corona-Ausbruch hatte zur Rücknahme der Lockerungen in den beiden Kreisen geführt. Seither wurden dort fast 40.000 Menschen getestet.
Der Schlachthof Tönnies werde erst wieder öffnen, wenn die Gesundheitsgefahr gebannt sei, sagte Laumann. "Tönnies ist nun in der Verantwortung, ein Konzept vorzulegen." Darin müssten etwa Probleme der Belüftung und des Arbeitsschutzes geklärt werden. "Wir werden die großen Schlachtbetriebe in Nordrhein-Westfalen auf jeden Fall ständig vom Arbeitsschutz begleiten lassen", kündigte der Minister an.
Bis Montag infizierten sich nach Laschets Worten binnen sieben Tagen im Kreis Gütersloh 112,6 von 100.000 Menschen mit dem Coronavirus. Wenn man die Tönnies-Beschäftigten außen vor lässt, sind es jedoch lediglich 22,5. Im Kreis Warendorf liegt der Wert der "7-Tage-Inzidenz" bei 22, ohne die Tönnies-Beschäftigten bei 5,4. Bundesweit gilt, dass Schutzmaßnahmen ergriffen werden müssen, wenn dieser Wert in einer Stadt oder einem Landkreis über 50 steigt.
Laschet kündigte an, er werde sich für "Präzisierungen" einsetzen, damit Grundrechtseinschränkungen künftig nicht für ganze Kreise verhängt werden müssen, sondern nur lokal für Orte, in denen tatsächlich die Gefahr einer Infektion bestehe. Darüber wolle er mit den anderen Länder-Chefs sprechen. Wenn wie derzeit für 600.000 Menschen in zwei Kreisen fundamentale Grundrechte außer Kraft gesetzt würden, werde sich die Landesregierung auch künftig die Zeit nehmen, mit Experten, Betroffenen, dem Robert Koch-Institut und Wissenschaftlern zu sprechen, "und nicht in Schnellschüssen Entscheidungen fällen, wie sie leider im parteipolitischen Wettbewerb in diesen Tagen immer wieder gefordert werden".
Das Oberverwaltungsgericht NRW habe zwar bestätigt, dass "der geltende Lockdown rechtmäßig" sei - das Gerichte lehnte den Eilantrag eines Bürgers gegen die Coronaregionalverordnung ab (AZ: 13 B 911/20.NE). Zugleich hätten die Richter aber klargestellt, dass diese Einschränkungen fortwährend überprüft und zeitlich eng begrenzt werden müssten, betonte Laschet: "Das ist eine Mahnung an alle, die glauben, dass man Grundrechte mal eben per Federstrich außer Kraft setzen kann." Dieses Thema dürfe nicht als "parteipolitisches Spielfeld" genutzt werden.
Der CDU-Vize warnte erneut vor einer Stigmatisierung der Menschen aus dem Kreis Gütersloh: "Die Zahlen geben dafür keinen Grund." Das gelte auch für NRW insgesamt. Österreich habe deshalb auch die generelle Reisewarnung für das Bundesland aufgehoben. Das habe ihm Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz nach einem Gespräch zugesagt, sagte Laschet. Reisende aus Gütersloh müssten bei der Einreise noch einen negativen Corona-Test vorlegen.