Berlin (epd). Der Corona-Ausbruch in der deutschen Fleischindustrie muss nach Ansicht von Diakonie-Chef Ulrich Lilie dazu führen, menschenunwürdigen Arbeitsverhältnissen im Niedriglohnsektor in Europa den Kampf anzusagen. Lilie forderte am Dienstag in Berlin die Bundesregierung auf, die Probleme anzugehen: "Es kann nicht sein, dass Menschen, die oft aus anderen EU-Ländern kommen, hier unter extrem schlechten Arbeits- und Wohnbedingungen leiden und von Sozialleistungen und arbeitsrechtlichen Standards ausgenommen werden", sagte Lilie. Deutschland übernimmt am 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft.
Ausbeutung von Niedriglohnbeschäftigten in der EU gebe es auch in der Landwirtschaft, der Logistik, im Bau-, Hotel- und Gaststättengewerbe sowie bei der Pflege in Privathaushalten, erklärte der Präsident der Diakonie Deutschland. Er begrüßte, dass Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) undurchsichtige Arbeitsvertragsgestaltungen in der Fleischindustrie verbieten will. Es müssten aber auch andere Branchen auf legale Arbeitsausbeutungsmöglichkeiten überprüft werden, forderte Lilie.
Außer der Abschaffung von Werkverträgen im Niedriglohnsektor spricht sich die Diakonie Deutschland für eine EU-weite Anpassung der sozialen Standards und eine strenge Überwachung von Leiharbeit und der Entsendung von Arbeitnehmern aus.
Nach einem Corona-Ausbruch in einer Fleischfabrik der Tönnies-Gruppe im Kreis Gütersloh in Nordrhein-Westfalen ist die Zahl der infizierten Beschäftigten nach Angaben des Kreises bis Montagabend auf 1.553 gestiegen. Das sind rund 22 Prozent der insgesamt rund 6.650 Arbeiter. Ein Grund sind die Arbeits- und Wohnbedingungen, die der Einhaltung der Corona-Regeln entgegenstehen.