Gütersloh (epd). Deutsche Frauen bezahlen einer Studie zufolge eine Mutterschaft mit enormen Einkommenseinbußen. Mütter verdienen laut der Bertelsmann-Erhebung im Laufe ihres Erwerbslebens je nach Anzahl der Kinder bis zu zwei Drittel weniger als kinderlose Frauen. Auffällig sei, dass die Kosten des Mutterdaseins für jüngere Frauen sogar noch zunähmen, heißt es in der am Montag in Gütersloh veröffentlichten Studie. Denn jüngere kinderlose Frauen holten hinsichtlich des Lebenseinkommens im Vergleich zu den Männern deutlich auf. Die Studie warnt, dass die Politik unter anderem mit einer deutlich verbesserten Kinderbetreuung gegensteuern müsse, weil der Wirtschaft sonst qualifizierte Arbeitskräfte verloren gingen.
Zu Beginn des Erwerbslebens liege das Einkommen von Männern und Frauen etwa gleichauf, heißt es in der Studie. Erst ab Mitte bis Ende 20 ändere sich dies mit der Familiengründung. Mütter eines Kindes hätten gegenüber kinderlosen Frauen ein rund 40 Prozent niedrigeres Lebenserwerbseinkommen. Bei drei oder mehr Kindern stiegen die Einbußen auf bis zu knapp 70 Prozent. Väter hingegen verdienten gemessen am durchschnittlichen Lebenserwerbseinkommen der Männer bis zu 20 Prozent mehr.
Die Studie stellte fest, dass die Erwerbslücke zwischen Müttern und kinderlosen Frauen sogar noch steigt. In Westdeutschland werden 1985 geborene Männer demnach durchschnittlich auf ein Lebenserwerbseinkommen von voraussichtlich rund 1,5 Millionen Euro kommen. Gleichaltrige kinderlose Frauen nähern sich dem durchschnittlichen Einkommen der Männer auf rund 1,3 Millionen Euro an, also auf etwa 85 Prozent. Das ist deutlich mehr als bei 20 Jahre zuvor geborenen kinderlosen Frauen, die nur auf knapp 70 Prozent des lebenslangen Gesamteinkommens von Männern kommen. Das Lebenserwerbseinkommen von Müttern in Westdeutschland hingegen verändert sich laut der Studie über die Altersjahrgänge hinweg betrachtet kaum. Für 1985 geborene Frauen liegt es bei rund 578.000 Euro.
In Ostdeutschland wird für 1982 geborene Männer ein durchschnittliches Lebenserwerbseinkommen von rund 1,1 Millionen Euro prognostiziert, für gleichaltrige kinderlose Frauen rund 1,075 Millionen Euro. Ostdeutsche Mütter dieses Jahrgangs kommen dagegen nur auf knapp 573.000 Euro.
Als Ursache für die Einkommenslücke von Müttern nennt die Studie, dass "faktisch nach wie vor das Modell des männlichen Ernährers beziehungsweise das Zuverdienerinnenmodell dominiert". Kinderbetreuung, Hausarbeit und Pflege von Angehörigen würden überwiegend von Frauen geleistet. Mütter seien deshalb in deutlich geringerem Umfang erwerbstätig als Väter.
Die Studienautorinnen Manuela Barisic und Valentina Sara Consiglio äußerten die Befürchtung, dass sich der Trend zur Einkommensungleichheit zwischen Müttern und kinderlosen Frauen durch die Corona-Krise noch verstärken wird. "Insbesondere Mütter müssen mit finanziellen Einbußen und Karriereeinschnitten rechnen", schreiben die Autorinnen. Grund sei, dass Mütter während der Pandemie anders als kinderlose Frauen ihre Erwerbstätigkeit zugunsten der Fürsorgearbeit zurückstellten.
Die Studie warnt, dass sich Einkommensnachteile für Mütter weiter verschärften, wenn die Politik nicht gegensteuere. Dies sei nicht nur ungerecht, sondern auch gesamtwirtschaftlich ineffizient. Obwohl Mütter ebenso gut ausgebildet und leistungsfähig seien wie Männer und kinderlose Frauen werde ein großer Teil ihres Potenzials nicht ausgeschöpft. So gingen der Wirtschaft Fachkräfte verloren.
Entscheidend sei eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch den Ausbau einer qualitativ hochwertigen Kinderbetreuung, heißt es in der Studie. Außerdem schlagen die Autorinnen den Abbau des Ehegattensplittings vor, das die Mehrarbeit von Frauen und Müttern häufig unattraktiv mache. Ferner solle eine Reform der Minijobs in Betracht gezogen werden, die mehrheitlich von Frauen zu niedrigen Löhnen ausgeübt würden.