Heil dringt auf schnelle Schritte zum Schutz der Fleischarbeiter

Heil dringt auf schnelle Schritte zum Schutz der Fleischarbeiter
In der Großschlachterei Tönnies in Rheda-Wiedenbrück hat die Zahl der Corona-Infektionen unter den Beschäftigten die 1.000er-Marke überschritten. Der Region droht ein Lockdown. Minister Heil will rasch eine Verschärfung der Kontrollen in der Branche.

Gütersloh (epd). Nach dem massiven Corona-Ausbruch in dem Tönnies-Schlachtbetrieb im westfälischen Kreis Gütersloh dringt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) auf schnelle Schritte zum Schutz der Beschäftigten in der Fleischbranche. "Wir wollen die Kontrollen weiter verschärfen, noch bevor das neue Gesetz zur Arbeitssicherheit in der Fleischindustrie da ist", sagte Heil dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland" (Samstag). In dieser Sache sei er "in sehr produktiven Gesprächen mit den Ländern". Die Zahl der infizierten Tönnies-Mitarbeiter stieg am Samstag auf mehr als 1.000. Am Sonntagnachmittag wollte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) den Krisenstab des Landkreises Gütersloh besuchen.

Der Arbeitsminister bekräftigte: "Wir machen mit dem Verbot von Werkverträgen im Kernbereich der Fleischindustrie auf jeden Fall ernst - ganz egal, welche Anstrengungen milliardenschwere Unternehmen auch in die Wege leiten, um dieses Vorhaben zu torpedieren." Mehrere Ministerien arbeiteten daran, das Verbot rechtssicher zu machen. "Im Sommer werde ich den Gesetzentwurf vorlegen", versprach Heil.

Auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sprach sich für konsequentes Handeln aus. Die Versorgung mit Lebensmitteln sei ein hohes Gut, sagte Altmaier im "Interview der Woche" des Deutschlandfunks. "Und ich möchte, dass das Vertrauen an Lebensmitteln und an Fleisch 'made in Germany' erhalten bleibt."

Das bedeute, "dass wir auch dafür sorgen, dass Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen werden und dass die Missstände abgestellt werden, indem man entsprechende Veränderungen trifft", erklärte der Wirtschaftsminister. Das gelte nicht nur für die Werkverträge mit osteuropäischen Arbeitnehmern, sondern auch für die Unterbringung und die Arbeitsbedingungen konkret vor Ort.

Der Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sprach sich für ein Boykott von Tönnies-Produkten aus. "Es ist an der Zeit, dass die großen Supermarktketten sich nicht länger mitschuldig machen", sagte Hofreiter der "Bild am Sonntag". "Sie sollten Tönnies-Produkte aus ihrem Angebot nehmen."

Nachdem sich mehrere Schlachthofbetriebe zu Corona-Hotspots entwickelt hatten, hatte das Bundeskabinett im Mai Eckpunkte zur Verschärfung der Auflagen für die Fleischindustrie beschlossen. Vorgesehen sind unter anderem häufigere Kontrollen des Arbeitsschutzes, höhere Bußgelder und Auflagen für die Unterbringung ausländischer Arbeiter. Kern ist ein Verbot von Werkverträgen, damit Betriebe die Verantwortung für die Arbeitsbedingungen und Unterbringung von Arbeitern nicht länger auf Subunternehmer abwälzen können.

Im Fall der Firma Tönnies am Standort in Rheda-Wiedenbrück wurde bis zum 2. Juli für die Beschäftigten eine Quarantäne angeordnet. Dem Betrieb wurde erlaubt, noch bis Sonntag 23 Uhr unter strengen Sicherheitsauflagen Schlachtabfälle zu entsorgen. Schulen und Kitas im Kreis Gütersloh wurden schon am Donnerstag geschlossen. Da viele osteuropäische Beschäftigte in Wohnungen in umliegenden Städten in Ostwestfalen-Lippe untergebracht sind, schloss Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Laschet einen "flächendeckenden Lockdown in der Region" nicht aus, um die Ausbreitung des Virus zu stoppen.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hält einen Lockdown für dringend geboten. "Bund und Länder haben Kontakt- und Ausgehbeschränkungen für den Fall von mehr als 50 Neuinfektionen pro Woche bei 100.000 Einwohnern vereinbart. Wann soll diese Regelung zur Anwendung kommen, wenn nicht jetzt im Landkreis Gütersloh?", sagte Lauterbach dem "RedaktionsNetwerk Deutschland".

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