Berlin, Osnabrück (epd). Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) ruft zu einer breiten Nutzung der Corona-Warn-App auf. "Es gelten die allgemeinen Vorschriften der Datenschutzgrundverordnung ohne Wenn und Aber", versicherte sie im Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Montag). Deshalb seien alle datenschutzrechtlichen Fragen abgedeckt, und es gebe keine Veranlassung für ein spezielles App-Gesetz. Die App kann ab Dienstag aufs Smartphone geladen werden und soll dazu beitragen, die Covid-19-Pandemie einzudämmen.
Die sogenannte Tracing-App alarmiert Nutzerinnen und Nutzern, wenn sie Erkrankten zu nahe gekommen sind. Sie soll so helfen, Infektionsketten zu durchbrechen. Dafür benutzt sie eine energiesparende Bluetooth-Variante, über die Daten nur in geringer Menge und Reichweite übertragen werden können. Die App erzeugt Zufallszahlen und sendet diese aus. Das Gerät und die Person bleiben durch die Nutzung solcher Pseudonyme anonym.
Wenn zwei Geräte sich aus epidemiologischer Sicht über einen gewissen Zeitraum so nahe waren, dass eine Ansteckung der Nutzer möglich ist, wird die anonyme ID auf dem Smartphone gespeichert. Orts- oder Bewegungsdaten werden nicht erhoben. Hat sich ein User mit dem Coronavirus infiziert, bekommt er von einem Arzt oder Testzentrum einen QR-Code, um dies in die App einzutragen. Wer in den 14 Tagen zuvor mit einer positiv getesteten Person in näheren Kontakt kam, wird benachrichtigt.
Regierungssprecher Steffen Seibert hob die Freiwilligkeit der App-Nutzung hervor. Es gebe "mehrere Stufen der Freiwilligkeit": Alle könnten selbst entscheiden, ob sie die App herunterladen und aktivieren. Selbst wenn die App aktiviert sei, könnten Betroffene bei einer positiven Testmeldung noch entscheiden, ob sie die Daten freiwillig an andere weitergeben oder nicht. Zudem könne die App jederzeit wieder gelöscht werden.
Ministerin Lambrecht betonte, es werde keine Vorzüge oder Belohnungen für diejenigen geben, die die App aktivieren. "Und genauso wollen wir auch keine Nachteile für diejenigen, die dies nicht tun - etwa ein Zugangsverbot für Restaurants", sagte sie.
Der Leipziger Medizin-Informatiker Alfred Winter bezeichnete den Einsatz der App als "sinnvoll und im Hinblick auf den Datenschutz für völlig in Ordnung". Der Professor, der auch Präsident der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie ist, sprach sich in Leipzig zugleich für eine wissenschaftliche Begleitung aus. Eine solche sei "zwingend notwendig". Eine flächendeckende Verbreitung der App in der Bevölkerung hält der Informatiker nach eigenen Worten nicht für nötig. "Ich persönlich kann mir vorstellen, dass auch eine hohe Nutzungsrate nur in einer Region, einer Stadt oder einem Stadtviertel, vielleicht nur in einem Milieu für die jeweilige Nutzergruppe positive Effekte haben kann", sagte er.
Ähnlich beurteilt das auch die Regierung. Zu Bewertungen, dass etwa 60 Prozent die App nutzen müssten, um wirksam zu sein, sagte Regierungssprecher Seibert, diese seien zum heutigen Zeitpunkt "nicht korrekt". Diese Prozentangabe stamme aus einer Studie der Universität Oxford aus einer ganz anderen Phase der Pandemie, in der etwa der Reproduktionsfaktor des Coronavirus viel höher gewesen sei. Die App habe ihren Nutzen bereits weit unterhalb dieser Marke.
Die Digital-Anwendung wurde von den Unternehmen Telekom und SAP umgesetzt. Die Regierung beziffert die Entwicklungskosten auf rund 20 Millionen Euro. Hinzu kommen Betriebskosten für Hotlines. Gearbeitet wird derzeit an einer EU-Lösung, damit die App auch in anderen europäischen Ländern genutzt werden kann. Seibert wies darauf hin, dass eine Interoperabilität etwa mit der App aus Frankreich schwierig sein könnte. Denn die Franzosen setzen auf eine zentrale Datenspeicherung - was in Deutschland aus Datenschutzgründen abgelehnt wird.
epd lob/kfr/mey mih