Osnabrück (epd). Führende Medizin-Experten haben einen Neustart und mehr Geld für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gefordert, damit der Kampf gegen die Corona-Pandemie auch in ärmeren Ländern gelingt. Die Lage auf der Südhalbkugel sei dramatisch, sagte Weltärztechef Frank Ulrich Montgomery der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Donnerstag). Vielen Ländern dort fehlten für Gesundheitsversorgung und Impfungen breiter Bevölkerungsteile schlicht die Mittel: "Hier muss die Weltgesundheitsorganisation dringend einspringen." Auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach betonte, der WHO komme eine entscheidende Rolle zu, um Corona in Entwicklungsländern zu bekämpfen und künftigen Pandemien vorzubeugen.
Montgomery verlangte, die Mitgliedstaaten müssten der WHO gerade jetzt mehr Geld zur Verfügung stellen. "Denn wenn der Kampf gegen Corona im Süden Afrikas verloren geht, geht er für den ganzen Globus verloren. Wir können das Virus nicht auf einem Kontinent einsperren, es wird immer wieder seinen Weg zu uns finden."
Der Vorstandschef des Weltärztebundes mahnte an, "die WHO von politischer Einflussnahme zu befreien, zu einem Weltgesundheitsamt auszubauen und die wissenschaftliche Kompetenz zu stärken". Der Neustart müsse aus der WHO einen "schlagkräftigen, aber rein wissenschaftlich-medizinischen Akteur" machen. Montgomery warf der Bundesregierung vor, sie sei über ihre Beiträge hinaus bei der WHO "nur Zuschauer, das reicht nicht".
Der SPD-Politiker und Epidemiologe Lauterbach beklagte, die WHO sei "finanziell und personell ausgeblutet". Die übrigen Länder dürften nicht warten, bis US-Präsident Donald Trump, der Ende Mai den Ausstieg aus der WHO verkündet hatte, wieder einsteige. Sie müssten ihre Beiträge sofort aufstocken. Die von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ausgerufene "Gesundheits-Nato" für die EU dürfe den Blick nicht auf die Herausforderungen außerhalb Europas verstellen.