Berlin (epd). Eine Chinesin, die in Corona-Zeiten beim Arzt keinen Termin bekommt - ein Syrer auf vergeblicher Wohnungssuche, weil ein Vermieter "keine Kanaken" will. Diese Menschen haben die Antidiskriminierungsstelle des Bundes um Hilfe gebeten. Sie sind zwei von vielen, wie aus dem Jahresbericht der Stelle hervorgeht, der am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Jeder Dritte beschwerte sich 2019 wegen ethnischer Diskriminierung. Der kommissarische Leiter Bernhard Franke, ein üblicherweise zurückhaltender Jurist, fand klare Worte: "Deutschland muss mehr tun gegen rassistische Diskriminierung."
Franke forderte die Bundesregierung auf, eine Reform des Gleichbehandlungsrechts auf die Tagesordnung des jüngst eingerichteten Kabinettsausschusses zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus zu setzen. Schutz vor Diskriminierung müsse auch staatliches Handeln umfassen. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das die Arbeitsgrundlage der Antidiskriminierungsstelle ist, tut dies nicht. Die Stelle kann nur eingreifen, wenn sich Menschen über verbotene Benachteiligung im Arbeitsleben und Alltag beschweren, etwa bei der Job- und Wohnungssuche, beim Disco- oder Arztbesuch oder weil Geschäfte oder Urlaubsziele nicht barrierefrei sind.
Franke verlangte außerdem, die Fristen zur Geltendmachung von Ansprüchen von zwei auf mindestens sechs Monate zu verlängern. Er will auch die Handlungsmöglichkeiten der Antidiskriminierungsstelle erweitert sehen. Sie müsse das Recht erhalten, Auskünfte bei Vermietern, Unternehmen oder Arbeitgebern einzufordern und selbst Klage einreichen zu können. Nur Bundesbehörden sind bisher der Stelle gegenüber auskunftspflichtig.
Mit Blick auf die Debatte um rassistische Tendenzen bei der Polizei unterstützte Franke die Forderung der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken sowie von Linken- und Grünen-Politikern nach unabhängigen Beschwerdestellen, um Vorfälle melden und überprüfen zu können, wandte sich aber gegen eine zentrale Anlaufstelle. Da für die Polizei die Länder zuständig sind, könnten Landesdiskriminierungsstellen diese Aufgabe übernehmen, sagte Franke. Solche Stellen gebe es aber erst in acht Bundesländern.
Bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes nehmen Beschwerden wegen rassistischer Diskriminierung am stärksten zu. Dem Jahresbericht 2019 zufolge wandten sich 1.176 Mal Menschen an die Beratung, weil sie sich im Arbeitsleben oder bei Alltagsgeschäften wegen ihrer ethnischen Herkunft diskriminiert fühlten. Das sind zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Die Zahlen würfen "ein Schlaglicht auf die Diskriminierung in Deutschland", sagte Franke, seien aber nicht repräsentativ, sagte Franke. Nur ein Teil der Menschen wenden sich an die Stelle, wenn sie schlechte Erfahrungen gemacht haben. Fälle rassistischer Gewalt tauchen bei der Antidiskriminierungsstelle in der Regel gar nicht auf. Franke sprach vom "Grundrauschen der Ausgrenzung: Was wir aufnehmen, sind Versuche, Menschen auszusortieren aufgrund zugeschriebener Merkmale."
Die Beschwerden wegen rassistischer Diskriminierung umfassen inzwischen ein Drittel aller Fälle, 2016 lag ihr Anteil noch bei einem Viertel. Dem Jahresbericht zufolge hat die Antidiskriminierungsstelle 2019 insgesamt in 3.580 Fällen eine rechtliche Auskunft erteilt. Die Gesamtzahl der Beratungsanfragen stieg gegenüber dem Vorjahr um knapp vier Prozent.
Nach den am häufigsten gestellten Anfragen wegen ethnischer Diskriminierung (33 Prozent) folgen Beschwerden aufgrund von Benachteiligungen wegen des Geschlechts 29 Prozent), einer Behinderung (26 Prozent), des Alters (12 Prozent), der Religion (7 Prozent) oder der sexuellen Identität (4 Prozent).
An die 2006 eingerichtete Antidiskriminierungsstelle des Bundes können sich alle Bürgerinnen und Bürger wenden, die mit Diskriminierung konfrontiert werden. Die Fälle werden auf der Grundlage des Gleichbehandlungsgesetzes überprüft. Die Stelle berichtet jedes Jahr an den Bundestag, zum zweiten Mal gibt sie einen Jahresbericht heraus.