Berlin (epd). Angesichts der humanitären Notlage im Jemen appellieren Hilfsorganisationen eindringlich an die Staatengemeinschaft, mehr Geld für Hilfen in dem Bürgerkriegsland bereitzustellen. Trotz der Ausbreitung von Covid-19 dauerten die Kämpfe an, und das Gesundheitssystem sei nach fünf Jahren Krieg kollabiert, sagte Claire HaDuong, Landeskoordinatorin im Jemen von "Ärzte ohne Grenzen", dem Evangelischen Pressedienst (epd). Sie äußerte sich vor einer internationalen Geberkonferenz für den Jemen, die am Dienstag von den Vereinten Nationen und Saudi-Arabien im Internet veranstaltet wird. Mit dem Krieg hätten sich bereits vor Corona tödliche Epidemien von Cholera, Diphtherie und Masern im Jemen ausgebreitet.
Die Diakonie Katastrophenhilfe mahnte, die Menschen im Jemen nicht im Stich zu lassen. "Wir erwarten von den Gebern ein unmissverständliches Signal, dass sie die Not und den Hunger der Millionen Menschen in diesem geschundenen Land bekämpfen wollen", erklärte die Präsidentin des evangelischen Hilfswerks, Cornelia Füllkrug-Weitzel. "Fast zehn Millionen Menschen stehen vor dem Abgrund einer großen Hungersnot." Von dem Hilfebedarf, den die UN für die nächsten sieben Monate auf 2,4 Milliarden US-Dollar (2,16 Milliarden Euro) schätzen, sei bisher nicht einmal ein Bruchteil gedeckt. Trotz einer von Saudi-Arabien im April wegen Corona ausgerufenen Waffenruhe sei der Zugang zur notleidenden Bevölkerung oft nicht möglich. Die Konfliktparteien hätten humanitäre Hilfe immer wieder behindert. Häfen seien blockiert worden, auch mit dem Einsatz deutscher Waffen.
Füllkrug-Weitzel warf der EU und Deutschland eine passive Haltung vor, da die Geberkonferenz von den UN und Saudi-Arabien ausgerichtet wird. Die EU und Deutschland hätten das Feld Saudi-Arabien überlassen, einem Land, das im Jemen eine wesentliche Kriegspartei sei. Saudi-Arabien führt seit 2015 eine Militärkoalition an, die aufseiten der jemenitischen Regierung gegen die Huthi-Rebellen kämpft. Menschenrechtsorganisationen werfen Saudi-Arabien die Bombardierung von Krankenhäusern und Schulen vor. Auch anderen Akteuren werden Verstöße gegen das Völkerrecht angelastet.
Im Jemen sind bisher 354 Corona-Infizierte gemeldet, von denen 84 starben. Es wird eine sehr hohe Dunkelziffer befürchtet. "Ärzte ohne Grenzen" berichtet aus der Stadt Aden, dass viele Covid-19-Patienten in kritischem Zustand seien und zu spät in einer Klinik einträfen. Zudem fehle es an Tests, Schutzkleidung, Masken, Sauerstoff und Beatmungsgeräten.