Handelsexperte: Längere Öffnungszeiten bringen Läden nichts

Handelsexperte: Längere Öffnungszeiten bringen Läden nichts
30.05.2020
epd
epd-Gespräch: Michaela Hütig

Köln (epd). Erweiterte Ladenöffnungszeiten wären aus Sicht des Einzelhandelsexperten Boris Hedde keine Hilfe für die Wirtschaft in der Corona-Krise. Das Problem der Händler sei nicht ein fehlender Zugang zu ihren Geschäften, sondern eher die Kaufzurückhaltung der Menschen, sagte der Geschäftsführer des Kölner Instituts für Handelsforschung (IFH Köln) dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Die Barriere für den Handel ist, dass die Kundinnen und Kunden nicht kommen", erklärte er. In der Folge hätten die Geschäfte mit Absatzverlusten zu kämpfen.

Sonntagsöffnungen erschienen vor diesem Hintergrund nicht sinnvoll, da die Kosten für die Einzelhändler dann weiter steigen würden, etwa durch zusätzliches Personal, sagte Hedde: "Aus betriebswirtschaftlicher Perspektive wäre eher eine Verdichtung als eine Ausweitung der Kaufzeiten vorzunehmen." Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatte zuletzt flexiblere Öffnungszeiten und konkret mehr verkaufsoffene Sonntage ins Gespräch gebracht, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln.

Hedde führte die Konsumzurückhaltung auf eine generelle Verunsicherung durch Jobverluste und Kurzarbeit wegen der Pandemie zurück. "Und diese Verunsicherung wird nicht durch mehr Öffnung geheilt", betonte der 46-jährige Forscher. Im Gegenteil spielten noch andere Faktoren eine Rolle, wie etwa die Maskenpflicht. "Der Hygieneschutz hat absolute Priorität, aber die Masken machen natürlich das Einkaufserlebnis alles andere als attraktiv", sagte er. "Sie sind größere Hemmnisse für den Umsatz als die Öffnungszeiten."

Statt längerer Ladenöffnungen warb Hedde für kreative Strategien, um Innenstädte trotz Corona wieder zu beleben. Als Beispiele nannte er zentrale gemeinsame Bestell- und Abholservices mehrerer Geschäfte oder besondere Anreize für bestimmte Zielgruppen an einzelnen Tagen. Auf diese Weise könnten auch die Kundenströme besser kanalisiert werden, um das Infektionsrisiko zu senken, erklärte der IFH-Geschäftsführer.

Grundsätzlich und für die Zeit nach der Pandemie halte er indes eine stärkere Liberalisierung des Einzelhandels für richtig, sagte er. Die Händler bräuchten größere Spielräume, um die jeweiligen Kundenbedürfnisse und eigenen Geschäftsmodelle stärker berücksichtigen zu können. So könne es etwa für eine Boutiquebesitzerin wichtig sein, ihr Geschäft für Events wie Anproben mit geladenen Kundinnen und Kunden abends öffnen zu dürfen. "Ich glaube nicht, dass Sonntagsöffnungen die Rettung des Handels in Zeiten von Corona darstellen", fasste Hedde zusammen. "Aber ich glaube, dass sie langfristig eine Möglichkeit bieten, Geschäfte kundenzentrierter aufzustellen."