Agrarexperte: Schlachthöfe sind "idealer Nährboden für Krankheiten"

Agrarexperte: Schlachthöfe sind "idealer Nährboden für Krankheiten"
17.05.2020
epd
epd-Gespräch: Claudia Rometsch

Nümbrecht (epd). Das Institut für Welternährung hat eine striktere Kontrolle der Arbeitsbedingungen in Schlachthöfen gefordert. "Das sind recht- und gesetzlose Zonen", sagte Wilfried Bommert, Vorstandssprecher des Instituts mit Sitz im oberbergischen Nümbrecht, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die prekären Arbeitsbedingungen machten die Schlachthöfe zur Brutstätte für Erreger wie das Corona-Virus. "Dort herrschen Verhältnisse, die jeder Gefahrenabwehr Hohn sprechen."

Die meist aus Rumänien oder Bulgarien stammenden Arbeiter würden von Subunternehmen beschäftigt, die sich nicht an deutsches Arbeitsrecht hielten, erklärte er. Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gebe es für die Schlachthofarbeiter nicht. "Das heißt, die arbeiten auch, wenn sie krank sind, weil es sonst keinen Lohn gibt. Das ist der ideale Nährboden für Krankheitserreger."

Die Subunternehmen, die die ausländischen Arbeitskräfte nach Deutschland bringen, wissen sich nach Beobachtung von Bommert in der Regel mit allen Mitteln staatlicher Kontrolle zu entziehen. "Es müssten durchsetzungsfähige Gesundheits- und Wettbewerbsbehörden für diesen Bereich geschaffen werden", forderte der Autor und Journalist. "Eine Soko Fleischwirtschaft wäre keine falsche Idee. Denn in der Frage haben wir es mit einem kriminellen Milieu zu tun."

In den Schlachthöfen herrschten derzeit Bedingungen, unter denen sich das Virus gut verbreiten könne. An Mundschutz sei bei der schweren Arbeit in Schlachthöfen unter enormem Zeitdruck in warmer Umgebung nicht zu denken, sagte Bommert. "Dann könnten die Leute nicht atmen." Zudem herrsche nicht nur an den Schlachtbändern, sondern auch in den Unterkünften der Arbeiter Enge. In der Regel schliefen vier Beschäftigte in einem Zimmer. Meist lebten die Arbeiter abgeschottet hinter hohen Werkszäunen.

Verantwortlich für die Zustände in der Fleischwirtschaft seien aber auch Discounter, die Preisdruck auf die Schlachthöfe ausübten und nicht zuletzt die Verbraucher. Die Konsumenten müssten bereit sein, mehr für Fleisch zu bezahlen, forderte der Agrarwissenschaftler. "Mit dem Billigfleisch, das wir für unsere Grillorgien kaufen, unterstützen wir diese Arbeitsverhältnisse."

Das Institut für Welternährung ist ein Zusammenschluss von Expertinnen und Experten aus Journalismus und Wissenschaft, die sich für eine Ernährungswende einsetzen.

Wegen des Corona-Ausbruchs in einem Coesfelder Schlachtbetrieb lässt Nordrhein-Westfalen derzeit die rund 20.000 Beschäftigten der Schlachthöfe des Landes auf das Virus testen. Bisher wurden über 16.200 Beschäftigte in 85 Schlachthöfen getestet. Bei etwa 370 wurde bislang mit Stand Freitag eine Corona-Infektion festgestellt, bei knapp 8.890 lag keine Infektion vor.