Berlin (epd). Der Protestforscher Dieter Rucht geht davon aus, dass die Demonstrationen gegen die Corona-Beschränkungen an Zulauf verlieren werden. Der Rückhalt für den Protest "verliert in dem Maße, in dem die Auflagen gegen die Pandemie gelockert werden - immer vorausgesetzt, dass es keine zweite Welle gibt", sagte Rucht dem Berliner "Tagesspiegel" (Online). "Diesem Protest wird bald der Wind in den Segeln fehlen."
Zudem würden sich die Demonstrationen etwas "entmischen", erklärte er. "Es werden Leute zu Hause bleiben, weil sie nicht hinter den falschen Fahnen und dubiosen Figuren mitlaufen wollen." Das sei bereits bei den sogenannten Hygiene-Demonstrationen in Berlin zu beobachten. Allerdings werde die AfD, "die unter Corona an Aufmerksamkeit verloren hat, parteipolitisch Kapital aus den Protesten zu schlagen versuchen", sagte Rucht, der Vorstandsmitglied des Berliner Instituts für Protestforschung ist. Das Großthema der Partei "Flüchtlinge zieht nicht mehr und hat nicht länger die Problemdimension von 2015".
Zugleich verwies der Protestforscher darauf, dass die sehr heterogene Bewegung von Corona-Demonstranten, die etwa von Impfgegnern bis zu Anhängern von Verschwörungstheorien reicht, den Rechtspopulismus tendenziell als Gemeinsamkeit habe. "Von dort kommt ein Gutteil der Forderungen, also die Elitenfeindschaft und die Verklärung der eigenen Rolle: Wir sind das Volk gegen 'die da oben', die man als selbstbezogen und womöglich korrupt verurteilt. Der Protest ist eher rechts- als linksaffin", sagte Rucht.