Loveparade-Verfahren eingestellt

Loveparade-Verfahren eingestellt
Gericht: Unglück auf «kollektives Versagen» zurückzuführen
184 Prozesstage untersucht das Landgericht Duisburg, wer für das tödliche Gedränge bei der Loveparade vor zehn Jahren verantwortlich ist. Nun endet der Strafprozess ohne Urteil: Die Richter stellen das Verfahren ein.

Duisburg (epd). Der Prozess um das Loveparade-Unglück mit 21 Toten und mehr als 650 Verletzten ist ohne Urteil zu Ende gegangen. Das Duisburger Landgericht stellte am Montag das Strafverfahren gegen drei Angeklagte ein. Der Prozess dauerte 184 Sitzungstage und war damit eines der aufwendigsten Verfahren der Nachkriegszeit. Der Beschluss der 6. Großen Strafkammer ist unanfechtbar (AZ: 36 KLs 10/17).

Die Richter erklärten, die tragischen Ereignisse auf der Loveparade in Duisburg am 24. Juli 2010 seien nach den bisher gewonnenen Erkenntnissen auf das "Zusammenwirken einer Vielzahl miteinander korrelierender Ursachen" und auf ein "kollektives Versagen in der Durchführungsphase" zurückzuführen. Bei dem Unglück dürfte es sich nach Ansicht des Gerichts um ein "multikausales Geschehen gehandelt haben, welches am Veranstaltungstag noch zu verhindern gewesen wäre".

Eine etwaige Schuld der verbliebenen drei Angeklagten, für die weiter die Unschuldsvermutung gelte, sei nur noch als gering anzusehen. Zudem liege das Geschehen fast zehn Jahre zurück und die Angeklagten seien durch den Prozess, das mediale Interesse und die Ereignisse erheblich belastet worden. Es bestehe außerdem nur noch eine geringe Wahrscheinlichkeit, das Verfahren vor der Verjährungsfrist am 27. Juli 2020 mit einem Sachurteil beenden zu können.

"Darüber hinaus besteht nach einer Gesamtschau aller Umstände kein öffentliches Interesse mehr an der weiteren Strafverfolgung", hieß es in dem 44-seitigen Beschluss. Aufgrund der Corona-Pandemie sei zudem mit einer weiteren Verfahrensverzögerung zu rechnen.

Der Strafverteidiger einer der Angeklagten, Volker Römermann, kritisierte die Einstellung des Verfahrens. Damit entziehe sich das Gericht der Verpflichtung, die Angeklagten "nach zehn ergebnislosen Jahren ordnungsgemäß freizusprechen", erklärte er.

Kritik äußerten auch die Betroffenen, die noch den Gutachter Jürgen Gerlach im Verfahren hören wollten. Sein Vertrauen in die Justiz sei nun schwer erschüttert, beklagte der Verein "Lopa 2010", der zugleich weitere juristische Schritte ankündigte. Angehörige wollten zum europäischen Gerichtshof ziehen. Zudem prüfe die Betroffenen-Initiative die Möglichkeit, eine politische Untersuchung bei der EU einzufordern. Das benötige aber Zeit.

Die Staatsanwaltschaft hatte dem Vorschlag des Gerichts zugestimmt, das Verfahren einzustellen. Nach Ansicht der Anklagebehörde sind die Ursachen für das Unglück geklärt. Für eine Fortsetzung des Verfahrens hatten hingegen die Opfer-Anwälte plädiert.

Das Verfahren im Congress Centrum der Messe Düsseldorf um das tödliche Gedränge beim Techno-Festival am 24. Juli 2010 hatte im Dezember 2017 begonnen. Zunächst mussten sich zehn Angeklagte unter anderem wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung verantworten. Im Februar 2019 wurde bereits der Strafprozess gegen sieben Angeklagte ohne Auflagen eingestellt. Gegen drei weitere Mitarbeiter der Veranstalterfirma Lopavent wurde das Verfahren fortgesetzt, weil sie eine Einstellung des Prozesses abgelehnt hatten.

Die Hauptakte umfasste nach Gerichtsangaben zum Schluss mehr als 60.000 Seiten. Hinzu kämen mehr als 1.000 Aktenordner und knapp 1.000 Stunden an Videomaterial. Die Gesamtkosten für das Verfahren stünden noch nicht abschließend fest. Zu Beginn fielen laut Gericht für die Räumlichkeiten und das Personal etwa 29.000 Euro pro Verhandlungstag an. Schließlich seien die Kosten zunächst auf etwa 26.000 Euro, später auf 22.000 Euro pro Tag reduziert worden.