Köln (epd). Die Kölner Juristin und Philosophin Frauke Rostalski, neues Mitglied des Deutschen Ethikrats, unterstützt die jüngste Intervention von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) zur Corona-Krise. In einem Gastbeitrag für den "Kölner Stadt-Anzeiger" (Donnerstag) unterstreicht die Direktorin des Instituts für Straf- und Strafprozessrecht der Universität zu Köln Schäubles Aussage, dass die Verfassung keinen absoluten Lebensschutz garantiere: "Vielmehr wird auch das Leben gegen andere Rechtsgüter abgewogen." Als Beispiel nennt Rostalski den Verzicht auf Organentnahmen an Verstorbenen, wenn diese dem vorher nicht zugestimmt haben.
"Wir tun dies nicht, obwohl auf diese Weise Leben gerettet werden könnten - weil wir die Selbstbestimmungsfreiheit des Menschen auch über seinen Tod hinaus schützen und in dieser Konstellation also stärker gewichten als den Lebensschutz", erläutert Rostalski. "Übertragen auf die potenzielle Lockerung von Corona-Maßnahmen heißt das: Wenn wir entscheiden, dass Kitas und Schulen weiter geschlossen bleiben oder aber Menschen ihre Reha-Maßnahmen (wieder) antreten dürfen, befinden wir uns schon mitten in der Abwägung."
Sie halte es für zwingend notwendig, über die Bedeutung von Bildungschancen, die Angst vor drohendem Jobverlust, Einsamkeit und vieles mehr zu sprechen und dies in ein Verhältnis zur jeweils aktuell zu beurteilenden Gefahr durch das Virus zu setzen, schreibt die Juristin. "Wer an das 'Wir' appelliert, muss dies auf der Basis guter Gründe und damit unter Einbeziehung sämtlicher relevanter gesellschaftlicher Interessen tun. Denn Verständnis ist der einzige Weg zu Solidarität."
Die 35 Jahre alte Juristin, die auch im Fach Philosophie promoviert hat, ist das jüngste von 24 Mitgliedern im neu besetzten Ethikrat. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören rechtliche Fragen rund um die Künstliche Intelligenz. Die Berufung durch Bundestagspräsident Schäuble erfolgt zum 30. April.
Das Gremium musste wegen des turnusgemäßen Ausscheidens einiger Mitglieder - unter ihnen der bisherige Vorsitzende Peter Dabrock - neu formiert werden. Das geschieht je zur Hälfte auf Vorschlag des Bundestags und der Bundesregierung. Der Deutsche Ethikrat ist das Nachfolgegremium des 2001 vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) installierten Nationalen Ethikrats.