Genf (epd). Die Vereinten Nationen warnen vor Menschenrechtsverletzungen im Zuge der weltweiten Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie. Sonderbefugnisse des Staates dürften von Regierungen nicht als Waffe genutzt werden, um Kritiker zum Schweigen zu bringen, die Bevölkerung zu kontrollieren oder die eigene Amtszeit zu verlängern, erklärte die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, am Montag in Genf. Ihr Büro hat nach eigenen Angaben bereits Dutzende solcher Fälle überall auf der Welt registriert.
Die für die Auslandsbüros der UN-Behörde zuständige Direktorin Georgette Gagnon sprach von einem "vergifteten" Umgang mit Ausgangssperren in manchen Ländern. In Ländern wie den Philippinen, El Salvador oder Marokko hätten Sicherheitskräfte wegen angeblicher Verstöße gegen die Gesundheitsauflagen Zehntausende festgenommen. In Nigeria untersuche die Regierung Berichte, wonach die Polizei 18 Menschen wegen ähnlicher Vergehen getötet habe. In Kenia seien bislang 20 Todesfälle in diesem Zusammenhang gemeldet worden. In vielen Ländern gebe es Berichte über Gewalt von Sicherheitskräften gegen die Bevölkerung.
Gagnon betonte, das Recht auf Leben habe Vorrang vor allen Sondermaßnahmen, die derzeit wegen der Covid-19-Pandemie erlassen würden. Das beinhalte auch das Recht, während einer Ausgangssperre Nahrungsmittel, Wasser oder dringend benötigte Medikamente zu besorgen. Der Staat dürfe zwar Grundrechte einschränken, wenn dies zur Bekämpfung der Erkrankung nötig sei. Diese Einschränkungen müssten aber verhältnismäßig und zeitlich beschränkt sein. Zudem müsse garantiert sein, dass die Kontrolle dieser Maßnahmen auf angemessene Weise geschehe.
Nach Angaben des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte gilt aktuell in mehr als 80 Ländern weltweit der Ausnahmezustand. In beinahe allen 193 UN-Mitgliedsstaaten gebe es Maßnahmen, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Bei der Bekämpfung des Virus würden oftmals Menschenrechtsprobleme offenbar, die schon vorher existiert hätten. So litten Minderheiten in der Gesellschaft, die schon zuvor diskriminiert worden seien, besonders unter exzessiven Maßnahmen. Das gleiche gelte für Kritiker und Oppositionelle sowie die Presse, die teils mit Gummiparagraphen ruhig gestellt werden solle.