Berlin (epd). Der Ökonom und Wachstumskritiker Niko Paech sieht in der Corona-Krise die Chance, wirtschaftliche und gesellschaftliche Fehlentwicklungen zu korrigieren. "Unser Wohlstandsmodell entpuppt sich als verletzlich", sagte der Wirtschaftswissenschaftler der Universität Siegen der Berliner "tageszeitung" (Montag). Er schlägt vor, künftig, auf Wirtschaftswachstum zu verzichten und substanzielle Güter wie etwa medizinische Produkte oder Lebensmittel stärker lokal vor Ort herzustellen.
"Eine Deglobalisierung mindert zwar die Kostenvorteile der entgrenzten Arbeitsteilung, stärkt aber die Stabilität", sagte Paech. Kürzere Wertschöpfungsketten ließen sich demokratischer und ökologischer gestalten, weil man leichter auf sie einwirken könne. Allerdings seien damit auch Preissteigerungen verbunden. "Die bessere Welt kriegen Sie nicht zum Nulltarif", sagte Paech.
Zudem erklärte der Ökonom, dass die Corona-Krise für viele Menschen auch Sinnkrisen aufdecke. Viele hätten bislang "nicht nur materiell, sondern auch psychisch über ihre Verhältnisse" gelebt. Derzeit gebe es eine Zwangspause vom Leistungsstress. "Ein stressfreieres und verantwortbares Leben zum Preis von weniger Konsum- und Reisemöglichkeiten ist vielleicht gar kein schlechter Deal, zumal sich die Balance zwischen beidem austarieren lässt", so der Wirtschaftswissenschafter. Weiter geht er davon aus, dass manche Menschen nach der Corona-Krise "gar nicht mehr zurück ins Hamsterrad wollen", sondern von dem, was sie jetzt als Entlastung erlebten, "in die Post-Corona-Zeit hinüberretten" wollen.