Corona: Wirtschaftsforscher erwarten BIP-Rückgang um vier Prozent

Corona: Wirtschaftsforscher erwarten BIP-Rückgang um vier Prozent
Wissenschaftler unterstützen Forderung nach Corona-Bonds
Einen Einbruch von vier Prozent der Wirtschaftsleistung erwarten Wissenschaftler der Hans-Böckler-Stiftung als Folge der Corona-Krise in Deutschland. Voraussetzung sei, dass die Beschränkungen des öffentlichen Lebens ab Anfang Mai gelockert werden.

Düsseldorf (epd). Die Corona-Pandemie treibt laut einer Untersuchung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung die Wirtschaft weltweit in eine tiefe Krise - so könnte etwa das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) in diesem Jahr um vier Prozent zurückgehen. Voraussetzung für diesen noch begrenzten Einbruch der Wirtschaftsleistung sei allerdings, dass die Beschränkungen des öffentlichen Lebens in Deutschland ab Anfang Mai wieder gelockert werden, hieß es in einer am Donnerstag in Düsseldorf präsentierten Konjunkturprognose des stiftungseigenen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). 2021 könnte unter diesen Voraussetzungen die deutsche Wirtschaftsleistung wieder um 2,4 Prozent steigen.

Wegen der Pandemie rechnen die Forscher außerdem mit einem Anstieg der Arbeitslosenzahlen in Deutschland in diesem Jahr um 150.000 Menschen auf durchschnittlich 2,42 Millionen - was einer Arbeitslosenquote von 5,3 Prozent entspräche. Für 2021 wird ein Anstieg der Arbeitslosenzahl um weitere 100.000 Menschen und der Arbeitslosenquote auf 5,5 Prozent erwartet.

Die Wissenschaftler hielten eine Lockerung der Beschränkungen des öffentlichen Lebens ab Anfang Mai in Deutschland für realistisch, weil auch in den zuerst von der Pandemie betroffenen Ländern wie China und Südkorea der Infektionsverlauf nach einigen Wochen wieder unter Kontrolle gebracht worden sei, sagte der wissenschaftliche Direktor des IMK, Sebastian Dullien. Für andere betroffene Länder wie Italien, Spanien, Frankreich und die USA werden ähnliche, allerdings teilweise zeitlich verschobene Verläufe erwartet.

Als Folge der Corona-Krise wird das Bruttoinlandsprodukt in der EU nach Einschätzung der Wissenschaftler in diesem Jahr um vier Prozent sinken, für 2021 wird ein Anstieg um 1,8 Prozent erwartet. Dullien sprach sich in diesem Zusammenhang für die sogenannten Corona-Bonds aus, um den finanziell schlechter ausgestatteten Euro-Mitgliedsstaaten eine wirksame Antikrisenpolitik zu ermöglichen.

"Bund und Länder, aber auch die Europäische Zentralbank, haben auf vielen Feldern schnell das Richtige getan, um die ökonomischen Folgen dieser dramatischen Krise zu mildern", sagte Dullien. Kurzfristigen Verbesserungsbedarf sehen die Wissenschaftler aber in einem wichtigen Punkt: So sollten das Arbeitslosengeld I und vor allem das Kurzarbeitergeld temporär aufgestockt werden, um die Einkommensverluste von Betroffenen zu begrenzen. In besonders betroffenen Branchen, in denen Unternehmen einen fast kompletten Umsatzeinbruch und wenig Spielräume hätten, könne alternativ "über eine Erhöhung der Ersatzleistung aus Mitteln der Bundesagentur für Arbeit nachgedacht werden", schrieben die Wissenschaftler.

Verschiebe sich die Lockerung der jetzt noch einmal verlängerten Kontaktsperre in Deutschland dagegen von Anfang Mai auf Anfang Juli, drohe ein mehr als doppelt so starker Einbruch des BIPs wie derzeit vorhergesagt. "Es wird extrem wichtig sein, die Wirtschaft so schnell wie möglich wieder auf Touren zu bringen", sagte Dullien. "Dabei spielt der private Konsum eine entscheidende Rolle, er ist die zentrale Starthilfe für den Konjunkturmotor." Deshalb sei eine Erhöhung vor allem des Kurzarbeitergeldes so wichtig. Bei der Zahl der Kurzarbeiter erwartet der IMK-Direktor nach eigenen Worten einen Rekord von mehr als vier Millionen Beziehern.

Bund und Länder hätten auf den tiefen wirtschaftlichen Einbruch mit umfangreichen finanziellen Hilfsmaßnahmen reagiert. "Dieser expansive finanzpolitische Kurs ist der Situation angemessen und zur konjunkturellen Stabilisierung auch absolut notwendig", unterstrichen die Wissenschaftler. Da 2020 auch die Steuereinnahmen voraussichtlich um ungefähr ein Prozent zurückgehen dürften, ergebe sich nach acht Jahren mit Überschüssen ein gesamtstaatliches Budgetdefizit von gut 93 Milliarden Euro oder 2,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes.