Weltärztepräsident Montgomery gegen Ausgehverbote

Weltärztepräsident Montgomery gegen Ausgehverbote
EKD-Ratsvorsitzender: Ich sehe in meinem Umfeld viel Besonnenheit
Bundesweit steht das öffentliche Leben weitgehend still, um die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen. Ausgangssperren gibt es nicht. Ihre Wirkung ist umstritten.

Frankfurt a.M. (epd). Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery hat sich im Kampf gegen das Coronavirus gegen Ausgehverbote ausgesprochen. "Ich bin kein Freund des Lockdown. Wer so etwas verhängt, muss auch sagen, wann und wie er es wieder aufhebt", sagte Montgomery. Die SPD-Europapolitikerin Katarina Barley sagte, Ausgangssperren sollten das letzte Mittel sein.

Montgomery argumentiert in der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Mittwoch), Italien habe ein Lockdown verhängt und einen gegenteiligen Effekt erzielt: "Die waren ganz schnell an ihren Kapazitätsgrenzen, haben aber die Virusausbreitung innerhalb des Lockdowns überhaupt nicht verlangsamt." Ein Lockdown sei eine politische Verzweiflungsmaßnahme, weil man mit Zwangsmaßnahmen meine, weiter zu kommen, als man mit der Erzeugung von Vernunft käme.

Barley sagte am Mittwoch dem Radiosender Bayern2, das Wichtigste sei, dass soziale Kontakte unterbleiben. "Wenn sich die Menschen dran halten, dann brauchen wir keine Ausgangssperren. Wenn es allerdings so weitergeht, dass es einige gibt, die sich unverantwortlich verhalten auf Kosten derjenigen, die besonders verletzbar sind, der Älteren, der chronisch Kranken, dann werden wir auch in Deutschland nicht drumherum kommen", sagte die Vizepräsidentin des EU-Parlaments.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), er spüre gerade sehr viel Bereitschaft zu gegenseitiger Unterstützung in der Gesellschaft: "Es beeindruckt und berührt mich, wie die Menschen jetzt zusammenstehen." Spontane Hilfsbereitschaft zeige sich gerade an vielen Orten. Die rücksichtslosen Hamsterkäufe blieben aus seiner Sicht die Ausnahme. "Ich sehe in meinem Umfeld viel Besonnenheit. Es ist keine Panik da, es ist eine gespannte und auch sorgenvolle Erwartung an das, was da auf uns zukommt", sagte der bayerische Landesbischof und oberste Repräsentant der deutschen Protestanten.

Unterdessen haben die gesetzlichen Krankenkassen versichert, alle Ausgaben zu übernehmen, die zur Bewältigung der Corona-Pandemie in Deutschland benötigt werden. "Wir achten darauf, dass Kliniken und Ärzte mit der erforderlichen Liquidität versorgt werden, damit sie leisten können, was medizinisch notwendig ist", sagte die Vorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Doris Pfeiffer, dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland" (Mittwoch).

Die Kassen würden auch zusätzliche Kosten übernehmen, wenn zum Beispiel Ärzte oder Pfleger aus dem Ruhestand zurückkehren, um das medizinische Personal zu unterstützen. "Dass diese notwendigen zusätzlichen medizinischen und pflegerischen Leistungen finanziert werden, steht für uns außer Frage", sagte Pfeiffer.

Ziel müsse es sein zu verhindern, dass Ärzte vor die Situation gestellt werden, das Leben eines Patienten zu retten und dabei den Tod eines anderen in Kauf nehmen zu müssen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), Ärzteschaft, Pflegekräfte und Krankenkassen würden jetzt gemeinsamen mit großem Einsatz dafür arbeiten, eine Priorisierung zu vermeiden, bei der es um Leben und Tod geht, sagte Pfeiffer.

epd hei/kfr tz