Berlin (epd). Die Bundesregierung will Kinder aus den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln holen - wann, ist allerdings unklar. Der Koalitionsausschuss von CDU, SPD und CSU verständigte sich in der Nacht zu Montag darauf, auf europäischer Ebene in einer "Koalition der Willigen" die Übernahme von Kindern aus Griechenland zu organisieren. "In diesem Rahmen steht Deutschland bereit, einen angemessenen Anteil zu übernehmen", heißt es im Beschluss. Wann diese Koalition stehen soll, blieb offen. Hilfsorganisationen und Experten drangen darauf, schnell zu handeln.
Es handele sich um Kinder, die wegen einer schweren Erkrankung dringend behandlungsbedürftig oder unbegleitet und jünger als 14 Jahre sind, heißt es im Beschluss weiter. Ob kranke Kinder mit Eltern in andere Länder geholt werden sollen, blieb ebenfalls noch offen. Eine Aufnahme im Familienverband sei aber "wahrscheinlich", sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums.
Nach seinen Angaben liefen bereits am Montag auf verschiedenen Ebenen Gespräche über eine europäische Initiative. Ob es am Freitag beim Treffen der EU-Innenminister, vielleicht schon davor oder erst später einen konkreten Beschluss geben soll, konnte er noch nicht sagen.
Im Beschlusspapier der Koalition ist von 1.000 bis 1.500 Kindern die Rede. Die Bundesregierung hatte in der vergangenen Woche wiederholt betont, dass sie keinen Alleingang bei der Aufnahme wolle, sondern auf eine europäische Initiative setze. EU-weit haben sich laut Europäischer Kommission mindestens fünf Länder zur Aufnahme unbegleiteter Minderjähriger von den griechischen Inseln bereiterklärt. Kommissionschefin Ursula von der Leyen sagte, es gebe "positive Antworten" zum Beispiel auch aus Frankreich, Portugal, Luxemburg und Finnland.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) betonte am Montag aber auch erneut die Priorität für den EU-Grenzschutz. Ordnung und Begrenzung von Migration seien Voraussetzung für Humanität, erklärte Seehofer: "Zu allererst müssen wir jetzt Griechenland helfen."
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) sagte, Deutschland habe die Kapazitäten, um zu helfen. "In den vergangenen Jahren hat Deutschland gezeigt, dass wir unbegleiteten Kindern und Jugendlichen einen guten Schutz und neue Perspektiven bieten können", sagte sie.
Hilfsorganisationen forderten am Montag ein schnelles Handeln und eine Ausweitung der Hilfe auf andere Gruppen. Die Aufnahme sollte auch für vulnerable Familien von Minderjährigen gelten, erklärte die Gemeinschaft Sant'Egidio. Die Lage der Flüchtlinge auf den griechischen Inseln sei wirklich dramatisch und verschlimmere sich Tag für Tag.
Der Geschäftsführer von Unicef Deutschland, Christian Schneider, bezeichnete die Planungen der Bundesregierung als "eine wichtige humanitäre Geste". Allerdings müssten auch die unhaltbaren Zustände in Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln so schnell wie möglich abgestellt werden. In Griechenland leben Unicef zufolge etwa 40.000 geflüchtete und migrierte Kinder, von ihnen sind 5.300 unbegleitet.
Die Hilfsorganisation World Vision teilte mit, mehr als 14.000 Kinder harrten derzeit auf den griechischen Inseln aus. Die Hilfe für unbegleitete Minderjährige sei ein Schritt in die richtige Richtung. Dabei dürfe es aber nicht bleiben. Auch die Vorsitzende des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration, Petra Bendel, sagte, der Beschluss des Koalitionsausschusses könne nur ein Anfang sein.
Kritik am Beschluss kam von der AfD. Die Entscheidung, Kinder und Jugendliche aufzunehmen, sei ein "Dammbruch", erklärten die Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel und Alexander Gauland.
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