Karlsruhe (epd). Bei der Besetzung von Leitungspositionen mit Frauen hat das Badische Staatstheater Karlsruhe nach eigenen Angaben deutschlandweit eine Führungsrolle übernommen. "Wir haben eine Operndirektorin, eine Schauspieldirektorin, eine Ballettdirektorin, eine Orchesterdirektorin, eine Betriebsdirektorin und eine Leiterin Volkstheater", sagte Intendant Peter Spuhler dem Evangelischen Pressedienst (epd). Seit zwei Jahren seien fast alle frei werdenden Führungspositionen mit Frauen besetzt worden. Zudem habe das Schauspiel weitgehend Regisseurinnen beauftragt.
Zuvor habe es heftige Diskussionen gegeben, ob das nur Marketing sei und ungerecht Männern gegenüber, sagte Spuhler. "Wir wiesen auf gläserne Decken hin", erklärte er. Er habe bei sich selbst beobachtet, dass er bei der Besetzung einer neuen Position zunächst Männer in Erwägung gezogen habe. Die 100-Prozent-Frauenquote solle jedoch kein Korsett sein, sondern vielmehr ein Bewusstsein schaffen, sagte der 54-jährige. Das Haus gilt als eines der größten Mehrsparten-Theater in Deutschland und wurde vor rund 300 Jahren gegründet.
Das Theater will zudem Zeichen gegen zunehmenden Rassismus und Intoleranz setzen. Seit einiger Zeit sei Deutschland auf einmal nicht mehr völlig offen gegenüber Geflüchteten. "Ich war verstört, dass wir nicht-christlich handeln, gerade angesichts unserer Geschichte", sagte Spuhler, der auch Mitglied in der Synode der badischen evangelischen Landeskirche ist. Als Reaktion auf den zunehmenden Rassismus und das Verfassungsjubiläum im vergangenen Jahr sei auf der Theaterfassade in großen Lettern der Grundrechtssatz "Die Würde des Menschen ist unantastbar" angebracht worden.
Spuhler bezeichnete dies als einen der schönsten Sätze der deutschen Sprache. Er gelte für alle und schütze auch Menschen in Deutschland, die eine andere Nationalität haben. Das Theater sei stolz auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus 46 Nationen. Diese erlebten Deutschland als gastfreundlich, "aber die derzeitigen Veränderungen weg von Weltoffenheit hin zu Intoleranz und Ausgrenzung irritieren sie schon", sagte er.
Die Gesellschaft brauche mehr denn je Institutionen, die sich mit dem Erhalt und der Diskussion von Werten und Fragen des gesellschaftlichen Zusammenhalts beschäftigen, fügte Spuhler hinzu. Zu verhindern, dass die Gesellschaft auseinanderfällt, und zu vermitteln, dass Unterschiedlichkeit und Vielfalt Werte sind, sei die wichtigste Aufgabe. Hier könnten sich die Kirchen noch stärker öffnen und Begegnungsräume für Menschen bieten, die unterschiedlicher Meinung sind. "Wenn wir unsere Filterblasen verlassen und miteinander ins Gespräch kommen, wird die Gesellschaft nicht auseinanderbrechen"