Bad Oeynhausen (epd). Nach Vorwürfen von Freiheitsberaubung gegen einen Mitarbeiter im Wittekindshof lässt die Diakonische Stiftung ihre Standards überprüfen. Gleich nach Bekanntwerden der Vorwürfe sei eine Kommission eingesetzt worden, die die Prozesse und Standards im Zusammenhang mit Gewaltprävention grundlegend überprüfe, sagte der Vorsitzende des Stiftungsrates, der Vlothoer Superintendent Andreas Huneke, am Mittwoch in Bad Oeynhausen. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, bedauere die dies Stiftung ausdrücklich. Zugleich mahnte Huneke eine Erreichbarkeit rund um die Uhr für richterliche Eildienste an, die über freiheitsentziehende Maßnahmen entscheiden.
Die Kommission habe das umfangreiche Regelwerk zur Gewaltprävention und zu freiheitsentziehenden Maßnahmen, in dem jährlich alle Mitarbeitenden geschult werden, noch einmal nach strengen Kriterien geprüft, erläuterte Huneke. Zugleich werde von externen Experten sichergestellt, dass die Vorgaben eingehalten würden. Zudem werde zusätzlich zum bestehenden Beschwerdemanagement der Stiftung ein Ombudssystem eingeführt, das mögliche Missstände frühzeitig aufzeigen solle, kündigte Huneke an.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen einen Leiter eines Arbeitsbereiches der Diakonischen Stiftung wegen des Verdachts auf Freiheitsberaubung. Dem Mann wird vorgeworfen, dass er Zwangsmaßnahmen angeordnet habe, ohne dass ein richterlicher Beschluss vorlag. Im Oktober hatten Polizisten die Räume des Geschäftsbereichs des Mannes durchsucht. Die Stiftung suspendierte den Mann.
Der Stiftungsratsvorsitzende mahnte zugleich eine bessere Erreichbarkeit des richterlichen Eildienstes an. Zwar gebe es inzwischen in der Region Ostwestfalen einen richterlichen Eildienst, erläuterte Huneke. Hier werde man jedoch außerhalb der Kerngeschäftszeiten lediglich mit einer zentralen Fax-Nummer und einer Handynummer verbunden. Abends und nachts gebe es nach wie vor keine Möglichkeit zur Kontaktaufnahme mit den Amtsgerichten. Die Regelung, einen richterlichen Beschluss für freiheitsentziehende Maßnahmen zu erhalten, sei damit am späten Abend und in der Nacht nicht praktikabel.
Hierbei gehe es um Fälle, in denen Menschen mit Behinderung und herausforderndem Verhalten sich in emotionalen Krisen massiv selbst verletzten und deshalb vor sich selbst geschützt werden müssten, erläuterte Huneke. Auch gehe es um die Gefährdung anderer Menschen. Grundsätzlich seien die rechtlichen Betreuer für die angemessene Unterbringung ihrer Klienten sowie für die richterlichen Genehmigungen zuständig, nicht der Wittekindshof. Im Krisenfall müssten Mitarbeitende zunächst rechtliche Betreuer kontaktieren, die wiederum den Antrag auf freiheitsentziehende Maßnahmen beim Gericht stellen müssten.
Die schwere Arbeit dürfe jedoch in keiner Weise Rechtfertigung oder Entschuldigung für möglicherweise problematische Verhaltensweisen sein, betonte Huneke. "Es darf nicht sein, dass Schutzbefohlene aufgrund unserer Arbeit Leid erfahren", sagte Huneke. Im Fall nicht rechtmäßiger oder strafbarer Maßnahmen distanziere sich die Stiftung ausdrücklich. Der Wittekindshof werde dies schonungslos aufklären. Zugleich unterstrich der Stiftungsratsvorsitzende, dass bis zu einer möglichen Verurteilung des Mitarbeiters die Unschuldsvermutung gelte.
Die 1887 gegründete Stiftung Wittekindshof mit Sitz in Bad Oeynhausen unterstützt nach eigenen Angaben jährlich rund 5.000 Kinder, Jugendliche und Erwachsen mit Behinderung sowie seelischen und psychischen Erkrankungen in Ostwestfalen, dem Münsterland und dem Ruhrgebiet. In NRW unterhält die Stiftung Einrichtungen in 16 Städten. Auf dem dorfähnlichen Wittekindshof-Gelände in Volmerdingsen leben rund 650 Menschen.