Brüssel (epd). Ein Karnevalszug im belgischen Aalst hat mit antisemitischen Klischees scharfe Kritik hervorgerufen. Derartige Bilder sollten 75 Jahre nach dem Holocaust nicht auf Europas Straßen zu sehen sein, sagte EU-Kommissionssprecher Adalbert Jahnz am Montag in Brüssel. Es sei allerdings noch unklar, welche Schritte man ergreife, sagte er. Für rechtliche Konsequenzen seien eigentlich die belgischen Behörden zuständig.
Nach Angaben und Aufnahmen belgischer Medien waren am Sonntag beim Umzug in Aalst Puppen und Verkleidete gezeigt worden, die Juden darstellen sollten. Auf einem Foto auf der Website des Belgischen Rundfunks (BRF) sieht man zum Beispiel eine Puppe mit Hut, Bart, Schläfenlocken und großer Nase, wie es in antisemitischen Darstellungen gängig ist. Sie sitzt wie andere Puppen, die andere Gruppen darstellen sollen, in einer Art Schießbude. Der Sender RTBF veröffentlichte Twitter-Fotos mit verkleideten Menschen, die Juden und zugleich Ameisen darzustellen scheinen. Zugleich ist bei RTBF ein Twitter-Video mit als Nazis verkleideten Karnevalisten zu sehen.
Die Konferenz der Europäischen Rabbiner (CER) nannte den Umzug am Sonntagabend "äußerst beleidigend". "Noch schlimmer ist, dass diese Art von Antisemitismus an einige der dunklen Momente der europäischen Vergangenheit erinnert", urteilte CER-Präsident Pinchas Goldschmidt. Zuvor hatte das Transatlantic Institute des American Jewish Council (AJC) in Brüssel die Darstellungen verurteilt. Der AJC zog eine Parallele zur "Entmenschlichung von Juden als Ungeziefer" während der Nazizeit.
Belgiens Ministerpräsidentin Sophie Wilmès übte ebenfalls Kritik. Die Nutzung von Stereotypen gefährde das Zusammenleben, erklärte die geschäftsführende Regierungschefin. Die Porträtierungen der jüdischen Gemeinde beim Karneval von Aalst "schaden unseren Werten ebenso wie dem Ruf unseres Landes". Der Bürgermeister von Aalst, Christoph D'Haese von der flämisch-nationalistischen Partei N-VA, verteidigte dagegen laut RTBF den Umzug. Die Darstellungen könnten nicht als antisemitisch angesehen werden, urteilte er demnach. Bereits der Karneval 2019 in Aalst hatte wegen ähnlicher Klischees viel Kritik hervorgerufen.