Berlin (epd). Der frühere Bundesminister und SPD-Vorsitzende Hans-Jochen Vogel warnt vor einer zunehmenden Kluft zwischen Arm und Reich in Deutschland. Wenn sich der Graben zwischen den Einkommensgruppen immer weiter vergrößere, gehe der gesellschaftliche Zusammenhalt zurück "und damit das Einverständnis mit Politik, Staat und Demokratie", sagte der 94-Jährige der "Welt am Sonntag". Vor allem bei Immobilienvermögen gehe die Schere immer weiter auseinander. Vogel: "Die unteren 30 Prozent der Bevölkerung haben eigentlich gar kein Vermögen." Auf der anderen Seite würden die Vermögenden noch hinzugewinnen.
Vogel plädierte dafür, Grundstücke und Wohnimmobilien teilweise den Regeln des Marktes zu entziehen: "Grund und Boden sollte nicht wie eine beliebige Marktware gehandelt werden." Wohnungsbaurelevante Grundstücke sollten "aus dem Bereich der Marktregeln in die Regeln des Allgemeinwohls überführt werden", fügte Vogel hinzu. Um das zu erreichen, sollten Städte und Gemeinden verstärkt Grundstücke kaufen.
"Grund und Boden ist nicht nur unvermehrbar, sondern auch unverzichtbar. Das ist wie Wasser und Luft. Auf welche andere Ware trifft das sonst zu?", so Vogel. Heute seien sogar für Normalverdiener viele Wohnungen kaum bezahlbar, beklagte Vogel. Von einer Enteignung privater Wohnungsgesellschaften dagegen halte er nichts: "Das ist der falsche Weg. Das würde enorm hohe Entschädigungszahlungen auslösen und auf einen breiten politischen Widerstand stoßen. Nur im Einzelfall könnten Enteignungen gerechtfertigt sein", sagte Vogel.
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