Bonn (epd). Die syrische Flüchtlingshelferin Mirna Abboud fordert eine Abmilderung der Syrien-Sanktionen durch die Europäische Union und die USA. Die damit verbundenen Geldrestriktionen wirkten sich auch auf die Zivilbevölkerung aus, sagte die Projektkoordinatorin bei der Bonner Hilfsorganisation Help dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Wir beobachten etwa einen erschwerten Zugang zu Geld, Kaufkraftverlust, Einschränkungen der Wirtschaft und des Angebots wichtiger Güter des täglichen Bedarfs", sagte Abboud. Die 29-Jährige ist seit 2012 in der humanitären Hilfe in Syrien tätig, seit 2017 arbeitet sie für Help.
Die öffentliche Aufmerksamkeit für den Konflikt nehme mit seiner Langwierigkeit immer weiter ab, beobachtet die Projektkoordinatorin. "Manchmal befürchte ich, dass Syrien zu einem dieser vergessenen Konflikte wird", sagte Abboud. "Aber die humanitäre Krise ist noch längst nicht vorbei." Mehr als 80 Prozent der Menschen in ihrem Heimatland lebten aktuell unter der Armutsgrenze.
Trotz vieler Rückschläge sei die Hoffnung auf Frieden auch zu Beginn des zehnten Kriegsjahres noch nicht gestorben, sagte Abboud. Neue Kraft für die Arbeit im Krisengebiet schöpfe sie auch aus den Begegnungen mit den Menschen, die in dem Konflikt teilweise über sich hinauswüchsen: "Wenn man wie ich gesehen hat, wie ein kleines Mädchen seine zwölfköpfige Familie rettet, indem es sie ganz alleine durch ein Minenfeld führt, dann kann man gar nicht anders, als weiterzumachen", sagte sie.
Die Situation in vielen Gebieten Syriens sei sehr instabil, weil sich kaum Voraussagen über den unübersichtlichen und gewalttätigen Krieg treffen ließen. "Der Krieg in Syrien passt nicht in die Schablone normaler Konfliktzyklen", sagte Abboud. Die Gebiete im Norden des Landes hätten sich etwa nach der Vertreibung der Terrormiliz IS recht stabil entwickelt. Durch die türkischen Angriffe im vergangenen Oktober sei die vorübergehende Beständigkeit allerdings erneut zunichtegemacht worden. Aktuell toben erbitterte Kämpfe zwischen Rebellen-Gruppen und Regierungstruppen vor allem in Idlib im Nordwesten des Landes.
Wegen der Unwägbarkeiten würden kaum nachhaltige Hilfsprogramme entwickelt. "Der Schwerpunkt der Programme liegt auf der Nothilfe", sagte Abboud. Neben solchen schnellen Hilfen seien aber auch langfristigere Projekte notwendig. "Die Menschen in Syrien haben durch den Krieg einen großen Teil ihrer Identität und ihrer Würde verloren", sagte die Projektkoordinatorin. In dieser Lage sei es nicht gut, komplett von Hilfsleistungen abhängig zu sein. Deshalb müssten auch Projekte in den Blick genommen werden, die es Menschen ermöglichen, wieder für ihre eigene Existenzgrundlage zu sorgen. Als Beispiel nannte die Syrerin Anschubfinanzierungen für kleine Handwerks- und Landwirtschaftsbetriebe.