Gerichtspräsidentin findet Arbeitszeiterfassung richtig

Gerichtspräsidentin findet Arbeitszeiterfassung richtig
Die Präsidentin des obersten Arbeitsgerichts versteht Unternehmer nicht, die über die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung klagen: "Ich weiß nicht, wie man einen Betrieb führt, ohne die Arbeitszeit genau zu dokumentieren", sagt Ingrid Schmidt.

Erfurt (epd). Die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts (BAG), Ingrid Schmidt, sieht wegen der EU-rechtlichen Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung keine besonderen Belastungen für Arbeitgeber. "Die meisten Arbeitgeber haben doch schon ein Arbeitszeiterfassungssystem eingeführt", sagte Schmidt am Mittwoch in Erfurt auf der diesjährigen Jahrespressekonferenz des obersten Arbeitsgerichts. Bei der Linken stießen die Äußerungen der BAG-Präsidentin auf Zustimmung.

Schmidt bezog sich auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 14. Mai 2019, in dem die Luxemburger Richter die verbindliche Dokumentation der Arbeitszeiten vorschrieben. (AZ: C-55/18) So sollen insbesondere Überstunden besser nachgewiesen werden können. Der deutsche Gesetzgeber muss hierfür noch entsprechende Vorschriften erlassen. "Ich weiß gar nicht, wie man einen Betrieb führt, ohne die Arbeitszeit genau zu dokumentieren", sagte Schmidt, die die Aufregung von Arbeitgebern wegen des Urteils nach eigenen Worten nicht versteht.

Die stellvertretende Faktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, Susanne Ferschl, begrüßte die "klaren Worte der Gerichtspräsidentin". Sie erwarte von der Bundesregierung, dass diese das EuGH-Urteil zügig umsetze und dessen Einhaltung kontrolliere. "Bundeswirtschaftsminister Altmaier darf die Umsetzung des Urteils nicht länger blockieren", sagte Ferschl.

Gerichtspräsidentin Schmidt wies zudem auf gestiegene Fallzahlen beim BAG hin. So seien 2019 insgesamt 2.472 Rechtssachen eingegangen. Davon waren 785 Sachen Revisionen und Rechtsbeschwerden, deren Zahl um fast 32 Prozent höher lag als im Vorjahr. Bei den Nichtzulassungsbeschwerden gab es 1.578 Eingänge, eine Steigerung um 47 Prozent. Die höhere Zahl der Eingänge gehe vor allem auf Arbeitsrechtsstreitigkeiten im Zuge der Pleite der Fluggesellschaft Air Berlin zurück, sagte Schmidt zur Begründung.

Die Erfolgsquote von Revisionen und Rechtsbeschwerden hält sich allerdings in Grenzen. Nur in 23 Prozent aller Fälle sind diese vor dem BAG erfolgreich. Bei Nichtzulassungsbeschwerden sind laut Schmidt sogar nur rund vier Prozent erfolgreich.

Schmidt kündigte an, dass voraussichtlich am 28. April erstmals das BAG über das sogenannte Entgelttransparenzgesetz entscheiden werde. Laut dem seit 6. Juli 2017 in Kraft getretenen Gesetz können Arbeitnehmer oder der Betriebsrat beim Arbeitgeber Auskunft über die Löhne anderer Beschäftigten verlangen. Hierfür müssen in dem Betrieb mehr als 200 Beschäftigte arbeiten. Im anstehenden Fall will ein Betriebsrat prüfen, ob der Arbeitgeber Frauen und Männer gleich bezahlt.

Am 24. Juni soll zudem die Frage geklärt werden, ob ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber, der Daimler AG, einen Auskunftsanspruch über seine gespeicherten Daten hat. Dabei will der Mann nicht nur die Informationen aus seiner Personalakte erfahren, sondern auch die Ergebnisse, die betriebsinterne Ermittlungen gegen ihn wegen des Vorwurfs der Verletzung von Unternehmens-Verhaltensstandards ergeben haben.

Das BAG will in diesem Jahr auch darüber urteilen, ob das Land Berlin muslimischen Stellenbewerberinnen mit Verweis auf das staatliche Neutralitätsgebot pauschal das Tragen eines Kopftuches im Unterricht verbieten darf.

epd fle/mj mih