Augsburg (epd). Der Diakonie-Chef Ulrich Lilie hat die Bundesregierung vor einem Wortbruch des im Koalitionsvertrag vereinbarten Kampfes gegen gesellschaftliche Vereinsamung gewarnt. "Bisher ist zu wenig passiert und das muss sich nun ändern", sagte Lilie der "Augsburger Allgemeinen" (Montag). Wenn man im Kampf gegen die Einsamkeit nicht vorankomme, werde man erleben, "wie sich die Kliniken und Psychiatrien mit kranken Menschen füllen", warnte der evangelische Theologe.
"Wir werden weniger Menschen haben, die im Erwerbsleben stehen und das bedeutet auch einen hohen volkswirtschaftlichen Schaden", sagte Lilie. Zudem leide der gesellschaftliche Zusammenhalt angesichts der zunehmenden Vereinsamung. "Menschen, die sich einsam oder abgehängt fühlen, sind empfänglicher für extreme Parteien, die etwa Ausländer als Sündenböcke abstempeln", erklärte der Diakonie-Chef.
Nach Ansicht von Lilie solle man sich an der britischen Regierung ein Vorbild nehmen, wo das Vorgehen gegen das Problem der Einsamkeit dem Verantwortungsbereich des Ministeriums für Sport und Zivilgesellschaft zugewachsen sei. "Es wäre sicher sinnvoll darüber nachzudenken, ob das bei uns eine Aufgabe für das Bundesfamilienministerium wäre", sagte Lilie. Aber auch das Bundesgesundheitsministerium und das Innenministerium, wo es um die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse gehe, seien angesprochen.
"Es geht darum, dass das Thema Einsamkeit als Querschnittsthema ressortübergreifend und über ein breites Netzwerk gut koordiniert angepackt wird", sagte Lilie. "Nur einen neuen Beauftragten zu schaffen, wird der Herausforderung nicht wirklich gerecht", betonte der Diakonie-Präsident. Man brauche "eine abgestimmte Strategie und einen langen Atem."