Frankfurt a.M./Berlin (epd). Weltweit haben Politiker und religiöse Repräsentanten am Montag der Millionen Opfer des nationalsozialistischen Terrors gedacht. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier reiste am Vormittag zur zentralen Gedenkveranstaltung im ehemaligen NS-Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Vor der Abreise empfing er drei Überlebende des Holocaust, die ihn nach Polen begleiteten. Am Montag jährte sich die Befreiung von Auschwitz zum 75. Mal.
UN-Generalsekretär António Guterres warnte vor einem Wiederaufleben der Nazi-Ideologie und weißer Überlegenheitsvorstellungen. Das Ausmaß des Holocausts dürfe nicht kleingeredet und die Verantwortung der Täter nicht heruntergespielt werden, sagte er.
Im Netzwerk Twitter bekundeten zahlreiche Politiker ihre Solidarität mit den Opfern des Nationalsozialismus. Unter dem Hashtag #WeRemember posteten auch die CDU-Bundesvorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer, Linken-Chef Bernd Riexinger, die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert-Walter Borjans ein Foto von sich mit dem Ausspruch. Christian Lindner twitterte, "würde man eine Schweigeminute für jedes Opfer des Holocaust halten, wäre es 12 Jahre still". "Fridays for Future" twitterte, der Kampf für Klimagerechtigkeit sei immer auch ein Kampf gegen Faschismus. Papst Franziskus erklärte auf Twitter: "Wenn wir die Erinnerung verlieren, machen wir die Zukunft zunichte."
Der CDU-Politiker Philipp Amthor erhielt Widerspruch, weil er dem Nachrichtensender n-tv am Montagmorgen gesagt hatte, Antisemitismus sei in "muslimisch geprägten Kulturkreisen besonders stark vertreten". "Wie kann man am Gedenktag der Befreiung von Auschwitz nur so geschichtsvergessene Dinge sagen?", fragte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Sven Lehmann auf Twitter.
Zur Gedenkveranstaltung in Auschwitz wurden Vertreter aus fast 50 Staaten und rund 200 Holocaust-Überlebende erwartet. Auch Israels Präsident Reuven Rivlin wollte nach Auschwitz reisen. Sprechen sollte dort neben anderen der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Ronald S. Lauder.
Lauder forderte Deutschland auf, seine Anstrengungen gegen rassistische und antisemitische Hetze im Internet zu verstärken. Den größten Nachholbedarf gebe es im Kampf gegen Hass und Rassismus im Internet, sagte Lauder der "Bild"-Zeitung (Montag).
Der Berliner Bischof Christian Stäblein schlug eine bundesweite Gedenkminute vor. "Ich meine, unser Land täte gut daran, das Gedenken an diesem 27. Januar zu verstärken durch eine zweiminütige Gedenkunterbrechung, in der alles ruhen soll", sagte er am Berliner Holocaust-Mahnmal.
Die frühere Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, sieht die AfD in der Mitverantwortung für wachsenden Antisemitismus. Antisemitismus heute komme aus drei Richtungen: "Die AfD ist eine Ursache des neuen Judenhasses, zusammen mit Linksextremisten und Islamisten", sagte sie der "Passauer Neuen Presse" (Montag). Auch der Weltkirchenrat warnte vor "dramatisch" anwachsendem Antisemitismus. In vielen Ländern seien in den vergangenen Jahren vermehrt antijüdische Rhetorik und Gewalt zu verzeichnen gewesen, heißt es in einer Erklärung des Ökumenischen Rates der Kirchen. Antisemitismus markiere oft den Beginn von Intoleranz und Gewalt gegen verschiedene Minderheiten.
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident und deutsch-französische Kulturbevollmächtigte Armin Laschet (CDU) besuchte in Frankreich eine Gedenkveranstaltung gemeinsam mit dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron am zentralen französischen Mahnmal. Laschet wollte an der Einweihung der restaurierten Mur des Noms (Mauer der Namen) teilnehmen. In die Mauer sind die Namen von 76.000 Jüdinnen und Juden eingraviert, die von den Nationalsozialisten deportiert und größtenteils ermordet wurden.
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