Bielefeld/Weimar (epd). Der Leiter der KZ-Gedenkstätte Buchenwald, Volkhard Knigge, beobachtet ein immer offeneres Auftreten rechtsextremer Besucher bei Führungen in dem ehemaligen Konzentrationslager bei Weimar. Nicht die Zahl der rechtsextremen Vorfälle nehme zu, dafür aber die Radikalität, sagte Knigge der "Neuen Westfälischen" (Donnerstag). "In den Besucherbüchern finden sich zunehmend Eintragungen, die Nationalsozialismus und auch die Konzentrationslager als sinnvoll und gut für die Deutschen bewerten." Äußerungen wie "wären die Lager noch in Betrieb, hätten wir kein Ausländer-Problem" ließen sich dort lesen.
"Das ist ernstzunehmendes Indiz, dass etwas wegbricht an Geschichtsbewusstsein, an mitmenschlicher Sensibilität und an politisch-demokratischer Orientierung", mahnte der Historiker. Zudem komme es in der Gedenkstätte immer wieder zu "gezielten, vorbereiteten Störungen von Besucherführungen". Rechte schmuggelten sich unter Besuchergruppen und warteten einen günstigen Moment ab, um Opferzahlen infrage zu stellen oder den Holocaust zu leugnen. Häufig werde das gefilmt.
So profilierten sich die Täter im eigenen Umfeld, erklärte Knigge. Gleichzeitig sollten die anderen Besucher eingeschüchtert und lächerlich gemacht werden. "Das darf man sich natürlich nicht gefallen lassen."
Als Reaktion auf derartige Vorfälle wurde die Besucherordnung in Buchenwald verschärft. So darf niemand mehr in die KZ-Gedenkstätte, der offen rechte Modelabel trägt. Mitarbeiter trainieren, wie sie mit Störern umgehen. Auch das intensiv-pädagogische Angebot wurde laut Knigge ausgebaut.
Kontra bekämen die Rechten zudem von anderer Seite, sagte er. "Unsere Besucherzahlen steigen und man hat den Eindruck, da kommen viele Menschen, die Haltung zeigen - das ist toll und ganz wichtig."
Knigge, der die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora seit 1994 leitet, macht für die Entwicklung auch die AfD und deren Führungspersonal verantwortlich. Durch Äußerungen von führenden AfD-Politikern wie Alexander Gauland, der die nationalsozialistische Diktatur mit ihren Verbrechen und Opfern als "Vogelschiss" bezeichnet habe, würden auch andere zu "immer offenerem rechtsextremen Denken und Sprechen" ermutigt.
Der Historiker forderte, die NS-Zeit im Geschichtsunterricht an den Schulen wieder mehr Gewicht zu geben. Der Nationalsozialismus sei mittlerweile auch an Gymnasien auf ganz wenige Stunden zusammengeschnürt, beklagte Knigge. "Viele Lehrer hoffen, dass Gedenkstätten das kompensieren, da muss man ansetzen."