Berlin (epd). Rund 27.000 Menschen haben laut Veranstalterangaben am Samstag in Berlin für eine Wende in der Agrarpolitik demonstriert. Zu der Kundgebung aufgerufen hatte das Bündnis "Wir haben es satt!", ein Zusammenschluss von über 50 Bauern-, Umwelt-, Naturschutz-, Verbraucher- und Entwicklungsorganisationen sowie anderen Initiativen. Nach Veranstalterangaben rollten dabei auch rund 170 Traktoren aus dem Bundesgebiet durch das Berliner Regierungsviertel.
Die Demonstranten forderten von der Bundesregierung einen umwelt-, tier- und klimaverträglichen Umbau der Landwirtschaft. Dazu zähle die Unterstützung von Bauernhöfen, mehr Maßnahmen gegen das Insektensterben sowie ein konsequenter Klimaschutz. Zudem wurde gegen das geplante EU-Abkommen mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten protestiert. Die Großdemonstration fand zum zehnten Mal anlässlich der Landwirtschaftsmesse "Grüne Woche" in Berlin statt.
Gegen strengere ökologische Vorschriften in der Landwirtschaft hatten indes am Freitag Bauern mit Traktoren-Demonstrationen in mehreren deutschen Städten demonstriert. Ihr Protest richtete sich vor allem gegen strengere Düngevorschriften und die Begrenzung des Einsatzes von Insektiziden. Die Mitglieder von "Land schafft Verbindungen" befürchten dadurch Ertragsrückgänge.
Dagegen übergaben Vertreter des "Wir haben es satt!"-Bündnisses am Samstag eine Protestnote an Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU). Gefordert wurde darin ein gerechter Handel und der Schutz bäuerlicher Betriebe auf der ganzen Welt. Unfaire Freihandelsabkommen dürften nicht dazu dienen, neue Märkte für Auto- und Chemie-Konzerne zu erschließen.
Für einen Stopp des geplanten EU-Mercosur-Abkommen sprach sich unter anderem der brasilianische Agrarexperte und Mitbegründer der Bundesuniversität "Fronteira Sul" in Brasilien, Antônio Andrioli, aus: "Denn es ist politisch falsch, erhöht die soziale Ungleichheit beim Einkommen, fördert lange Transportwege und noch mehr Abholzung." Die Länder in Lateinamerika würden mit dem Handelsabkommen weiter "auf die Produktion von Primärprodukten reduziert, von Industriegütern aus Europa überschwemmt und zur Unterentwicklung verdammt".
Der Ehren-Vorsitzende des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Hubert Weiger, sagte: "Wir brauchen eine soziale und ökologische EU-Agrarpolitik - bei der die Natur und die bäuerlichen Betriebe im Mittelpunkt stehen." Die Agrarpolitik müsse Bedingungen schaffen, damit Bäuerinnen und Bauern für den Erhalt der Lebensgrundlagen honoriert werden.
"Ohne eine konsequente Agrarwende werden wir die Klimakrise nicht in den Griff bekommen", betonte Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser. Tilman von Samson von "Fridays for Future" erklärte: "Die aktuelle Agrarpolitik verdeutlicht die Ignoranz der Bundesregierung gegenüber den Herausforderungen unserer Zeit." Statt der bisherigen Direktzahlungen werde ein System gebraucht, das Landwirten helfe, "eine der größten Hoffnungen im Kampf für die Klimawende zu werden".