Magdeburg (epd). Der Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Friedrich Kramer, spricht sich für die Abnahme der Schmähplastik an der Wittenberger Stadtkirche aus. Sie sollte abgenommen und in ein neues Denkmal direkt an diesem Ort integriert werden, sagte Kramer dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Magdeburg. Die Unterbringung der "Judensau" in einem Museum lehne er allerdings ab: "Es geht darum, Erinnerung nicht als erstarrtes Ritual immer weiterzuführen, sondern neu zu formulieren." Es gebe jüdische Menschen in diesem Land, die sich von dieser "Sau" beleidigt fühlten. Das müsse auch gehört werden, sagte Kramer.
Es gehe hier auch um die Frage, wie mit Denkmälern umzugehen sei, die Menschen ausgrenzten. Aus Sicht des Landesbischofs überschreitet die Schandplastik in Wittenberg die Grenzen der Allegorie. Es handele sich um eine antisemitische Beschimpfung, hier werde Juden die Menschlichkeit abgesprochen. Das zeige auch das Schimpfwort "Judensau". Diese Sau-Darstellungen im europäischen und mitteldeutschen Raum seien Ausdruck einer christlichen Predigt, die damals auch die Pogrome befeuert habe, sagte Kramer.
Er verwies darauf, dass in Wittenberg schon in den 1980er Jahren ein Mahnmal entstanden sei, mit dem sich die Gemeinde klar von Antisemitismus und Antijudaismus distanziert habe und das diese Schmähplastik kommentiere. Allerdings sei dieses Mahnmal heute selbst problematisch. Damals funktionierte es als dialektisches Denkmodell: These, Antithese und Synthese, aber heute funktionierte es eben so nicht mehr. "Die Beschimpfung bleibt, das Denkmal an sich wirft Fragen auf. Zum Beispiel die, ob es der Heiligkeit des Namens Gottes angemessen ist, dass dieser in einer Bodenplatte eingraviert ist und jeder auf den vier hebräischen Buchstaben herumlaufen könne", sagte der Theologe.
Mit Blick auf die juristische Auseinandersetzung sagte Kramer: "Wir können Erinnerungsfragen nicht juristisch klären." Es wäre bedenklich, wenn durch ein Gerichtsurteil entschieden werde, wie damit verfahren werden soll und der Prozess zum weiteren Umgang mit dieser Geschichte dadurch juristisch entschieden werde.
Das Oberlandesgericht Naumburg wird am 21. Januar nächsten Jahres über die Entfernung der Sandsteinplastik "Judensau" in einem Berufungsprozess verhandeln. Der Kläger, Mitglied einer jüdischen Gemeinde, will die Evangelische Stadtkirchengemeinde zur Entfernung der Plastik verurteilen und vorsorglich feststellen lassen, dass das Sandsteinrelief den Tatbestand der Beleidigung erfüllt.